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All eyes on: Xabi Alonso

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Am 08.10.2022 betritt ein Trainer die internationale Fußballbühne, den man vorher nur für seine überragenden Qualitäten als Fußballer kannte. Als Xabi Alonso Trainer von Bayer 04 Leverkusen wird, wissen nur die wenigsten, wofür sein Fußball steht und ob er der richtige Mann für die schwächelnden Leverkusener ist. Knapp sechs Monate nach Amtsantritt, weiß jeder Fußballfan in Deutschland, wie gut der 41-Jährige wirklich ist. Leverkusen kratzt zum Endspurt der Saison an den internationalen Plätzen. Das hätten viele für unmöglich gehalten. Darüber hinaus zählen sie zu den wenigen Mannschaften in der Bundesliga, die mit attraktivem Offensivfußball ihre Punkte holen. In der folgenden Traineranalyse hat Benny geschaut, woher die Ideen von Xabi Alonso kommen und warum sein Fußball so erfolgreich ist.

Die Anfänge

Als Xabi Alonso am 01.07.2017 offiziell seine Karriere beendet, steht eine Sache fest: Der einst so geniale Dirigent im Mittelfeld möchte eines Tages Trainer werden. Er selber hatte während seiner Karriere eine Vielzahl an guten Trainern, unter welchen er spielen und lernen durfte. So startete Alonso seine Trainerkarriere im Sommer 2018, nur ein Jahr nach Karriereende, in der U14 von Real Madrid. Aus der Jugendakademie der Königlichen verschlägt es Alonso, wieder nur ein ein Jahr später, zurück zu seinen Wurzeln. Er übernimmt die Zweitvertretung von Real Sociedad, die bei Amtsantritt in der dritten spanischen Liga spielen. Bis zum 30.06.2022 steht Alonso in insgesamt 98 Spielen für die Basken als Trainer an der Seitenlinie. Er holt dabei im Schnitt 1,40 Punkte und schafft in der Saison 20/21 das kleine Wunder, in dem er mit dem kleinen „la Real“ in die zweite spanische Liga aufsteigt. In den drei Jahren konnte man anhand seiner taktischen Stilmittel und den tiefergehenden Statistiken feststellen, dass in dem heute 41-jährigen ein kommender Weltklasse Trainer schlummert. Welche taktischen Stilmittel das sind, stelle ich euch nun vor.

Spiel mit dem Ball

Wer Xabi Alonso als Fußballer verstanden hat, versteht auch, wie er als Trainer spielen lassen möchte. Kontrolliert, dominant und organisiert. Drei Wörter, die in seinem taktischen Konzept eine entscheidende Rolle spielen. In der Grundformation lässt Alonso zu Beginn in einem 4-3-3 spielen. Im Laufe seiner Zeit bei den Basken ändert er seine Grundformation auf ein 3-4-3. Trotzdem sind die Grundformationen für den Spielaufbau unter Alonso nicht entscheidend. Egal ob er in einem 4-3-3 oder 3-4-3 spielen lässt. Im Linie 1 soll seine Mannschaft immer in einer 3+2 Struktur aufbauen. Vorrangiges Ziel ist dabei, nach den ersten Anspielen über die Halbräume in die offensive Aktion zu kommen. Zwei Flügelverteidiger sorgen für die Breite, um die gegnerischen Ketten auseinanderzuziehen. Beide Halbräume sind besetzt. In der letzten Kette positioniert sich ein Zielspieler, um für eine hohe Gegnerbindung zu sorgen.

Spielaufbau Real Sociedad unter Xabi Alonso
Quelle: Wyscout / Der Spielaufbau bei Real Sociedad unter Xabi Alonso

Entscheidend für den Spielaufbau ist die Positionierung der 6er vor der eigenen Abwehrkette. In der Bundesliga ist Leverkusen beispielsweise dafür bekannt, dass sie sich immer wieder mutig trauen, in den Druck auf den 6er zu spielen, der den Ball dann wieder klatschen lässt. Die Phase im Ballbesitz gab es unter dem heutigen Bayer 04 Trainer auch schon zu seiner Zeit bei „La Real“. Dabei steht der ballnahe 6er immer diagonal zum Halbraumverteidiger. Durch das erste Anspiel auf die 6 verschaffen sich Alonso’s Teams zwei Vorteile. Wird der Spieler im Zentrum angespielt, rückt mindestens ein Gegenspieler aus der Ordnung im Mittelfeld raus. Häufig bewegt sich der gegnerische Stürmer vom ballführenden Innenverteidiger weg, um den 6er zu doppeln (siehe unten Abbildung 1). So entsteht mehr Platz im Halbraum für den ballnahen 10er und der Passweg dorthin wird für den Innenverteidiger geöffnet. Es wird so linienbrechend mit einem Pass das komplette Pressing des Gegners überspielt (siehe unten Abbildung 2).

Pass auf den 6er, der einen Gegenspieler rauszieht
Quelle: Wyscout / 6er zieht zwei Gegenspieler auf sich
Staffelung Spielaufbau Sociedad B
6er zieht zwei Gegenspieler auf sich und verschafft dem IV mehr Zeit, um in den Halbraum zu spielen

Der zweite große Vorteil ist, dass sich durch die Strukturen im Aufbau eine „Box“ im Mittelfeld bildet. Sobald der Ball auf einen der 6er gespielt wird, schieben beide 10er zentral ein. So entsteht situativ eine Überzahl im Zentrum, die wieder eine Unordnung in die Strukturen des Gegners bringt. Der ballführende 6er hat damit immer mindestens zwei Passoptionen. Je nach Spielsituation kann er sich entscheiden, den Ball vertikal in die nächste Ebene zu bringen oder den beschriebenen Klatsch-Ball auf den Halbraumverteidiger zu spielen. Durch eben benannte Muster im Spielaufbau behalten Teams von Xabi Alonso immer die Kontrolle über den Gegner.

Box im Mittelfeld Real Sociedad B
Quelle: Wyscout / Box im Mittelfeld

Eins wird relativ schnell klar. Xabi Alonso legt viel Wert darauf, dass der Gegner im Aufbau seine Struktur verliert. Seine Mannschaften entwickeln im Laufe der Zeit ein tolles Gespür dafür, wann sie den Ball tief spielen und wann sie den Ball in der eigenen Abwehrkette laufen lassen. Kontrollierter Aufbau eben. Denn selbst wenn sie den Ball nicht sofort vertikal spielen, hat Alonso eine Idee, wie er in die nächste Ebene kommt. Es wird immer Gegner geben, die trotz der eigenen Staffelung im Ballbesitz die Ordnung im Zentrum beibehalten. Um diese zu umgehen, versuchen die Mannschaften des spanischen Trainers die ballnahe Seite zu überladen. Der Halbraumverteidiger wieder als Ausgangspunkt. Wenn dieser den Ball führt, schieben der ballnahe 6er und 10er aus dem Halbraum horizontal raus. So entsteht ein „wide diamond“, der den Gegner ins verschieben bringt und vor eine kurzzeitige Unterzahlsituation stellt. So kann sich der ballführende Spieler wieder entscheiden, ob er vertikal in die Tiefe spielt oder den Gegner weiter ins verschieben schickt. Ihr merkt schon, dass es wichtig ist, dass die eigene Mannschaft immer mindestens zwei Passoptionen hat.

Sociedad verlagert die Seiten
Quelle: Wyscout / Sociedad verlagert das Spiel auf eine Seite
wide diamond Real Sociedad
Quelle: Wyscout / Durch die Überladung entsteht ein „wide diamond“

Angriffsmuster

Auch für den Angriff hat sich der spanische Coach etwas einfallen lassen. Von der ersten bis zur letzten Linie ist jedes Anspiel durchdacht. Jeder Ball wird mit dem Ziel gespielt, den Passweg und den Raum zu öffnen, in dem sich ein Mitspieler ohne Gegnerdruck befindet. Was das genau heißt, zeige ich euch in anhand der folgenden Szene, in der Sociedad B genau das tut. Angefangen mit dem Aufbauspiel, welches ihr im Vorhinein schon kennengelernt habt. „La Real“ befindet sich wieder in einem 3+2 Aufbau und lassen den Ball in der 3er Kette laufen, um den Gegner ins verschieben zu bekommen (siehe unten erste Abbildung). In dem Moment, wo der 6er den Ball bekommt, verlassen beide Stürmer des Gegners ihre Ordnung und versuchen in den Zweikampf zu kommen (siehe unten zweite Abbildung). Als der 6er den Ball klatschen lässt, öffnet sich der Passweg für den Innenverteidiger, der nun problemlos die Seite verlagern kann. Ballfern befindet sich durch die hohe Gegnerbindung ein freier Raum, in den ohne Gegnerdruck angedribbelt werden kann. (siehe unten dritte Abbildung)

Sociedad befindet sich im 3+2 Aufbau
Quelle: Wyscout / Sociedad befindet sich im 3+2 Aufbau
Quelle: Wyscout / Der 6er wird angespielt und die Stürmer des Gegners schieben zu
Sociedad verlagert ballfern
Quelle: Wyscout / Die Passwege öffnen sich und Sociedad verlagert

Dadurch, dass der Gegner erst durchschieben muss, hat Sociedad nun auf der ballnahen Seite eine situative 3 gegen 2 Überzahl im Zentrum. Der ballführende Innenverteidiger hat nun drei vertikale Passoptionen, zwischen denen er sich entscheiden kann. In dem Moment wo er andribbelt, bewegen sich beide Spieler im Zentrum gegensätzlich. Dadurch öffnen sie einen Raum zwischen Abwehr und Mittelfeld des Gegners (siehe unten erste Abbildung). Diesen bespielt der Innenverteidiger mit einem vertikalen Ball. Im nächsten Schritt ist die Gegnerbindung essenziel. In der letzten Kette startet der Stürmer einen tiefen Lauf und zieht beide Innenverteidiger mit. Beide Außenverteidiger des Gegners stehen somit in direkten 1 gegen 1 Duellen (siehe unten Abbildung zwei).

Zentrale Spieler bewegen sich gegensätzlich und öffnen einen Raum
Quelle: Wyscout / Zentrale Spieler bewegen sich gegensätzlich und öffnen einen Raum
Gegnerbindung in der letzten Kette von Sociedad
Quelle: Wyscout / Gegnerbindung in der letzten Kette von Sociedad

Im letzten Schritt entscheidet sich der ballführende Spieler für den kurzen Ball auf den Flügelverteidiger und setzt sich wieder nach hinten ab, um zur Anspielstation zu werden. Und weil die Abwehrkette des Gegners komplett durchschieben musste, hat der ballferne Flügelverteidiger, der in die letzte Kette vorschiebt, einen immens großen Raum vor sich, in welchem sich kein Gegenspieler befindet. Da Sociedad ballnah eine Seite überladen hat und die Stürmer zum Tiefenlauf ansetzen, hat der ballführende Spieler, inklusive einem hohen diagonalen Ball, drei Passoptionen, die er ausspielen kann (siehe unten erste Abbildung).

Gegnerbindung in der letzten Kette Sociedad
Quelle: Wyscout / Gegnerbindung in der letzten Kette plus Passoptionen von Sociedad

In letzter Konsequenz endet diese Situation nur in einer Torchance und keinem Torerfolg. Sie zeigt im ersten Schritt aber gut, auf welche Muster Xabi Alonso im Angriffsspiel zurückgreift. Darüber hinaus lassen sich erste Ähnlichkeiten zu seinem Spielstil, den er bei Leverkusen etabliert hat, feststellen. Dazu später mehr. Denn es gibt noch zwei weitere Angriffsmuster, welche ich euch zeigen möchte. Bei Xabi Alonso muss nicht jeder Ball flach in die letzte Kette gebracht werden. Es wird im Spiel immer die Situationen geben, in denen der Gegner in einem kompakten Block steht, der tief in der eigenen Hälfte verteidigt. Um diesen zu überspielen, nehmen die Flügelverteidiger eine wichtige Rolle ein. Auch das kennen wir aus Leverkusen. Sociedad behält zwar den 3+2 Aufbau bei, verschiebt aber dafür die Statik in der letzten Kette. Beide Halbraumzehner schieben hoch. Ebenso die Flügelverteidiger. Wenn der Gegner in einer 4er-Kette spielt und nicht richtig durchschiebt, entsteht eine 4 gegen 5 Unterzahlsituation. Diese möchte Alonso ausnutzen und greift auf einen hohen diagonalen Ball, auf den ballfernen Flügelverteidiger, zurück (siehe unten erste Abbildung). Mit diesem Flugball kommen sie schnell hinter die letzte Kette und kreieren mindestens eine 1 gegen 1 Situation auf dem Flügel.

diagonaler Ball von Sociedad auf den ballfernen Flügelverteidiger
Quelle: Wyscout / diagonaler Ball von Sociedad auf den ballfernen Flügelverteidiger

Für den 41-jährigen Spanier ist es darüber hinaus wichtig, dass seine Spieler flexibel im Positionsspiel sind. Diese sind extrem nützlich, wenn der Gegner aus einem geordneten Mittelfeldblock heraus verteidigt. Im Blickpunkt sind dabei vor allem die beiden Halbraum 10er und der Stürmer, welche im letzten Angriffsmuster so lange rotieren, bis der Gegner die Zuteilung verliert. Wieder spielen die Basken geduldig in der 3er Kette und bringen den Gegner ins verschieben. Aus der fünf Mann Gegnerbindung in der letzten Kette, in der die beiden Flügelverteidiger breit stehen, um den Gegner auseinanderzuziehen, rotieren die drei angesprochenen Positionen im Zentrum so lange, bis der Raum und Passweg frei ist. Dann überspielt der ballführende Innenverteidiger mit einem Linienbrechenden Pass ins Zentrum fast alle Abwehrketten des Gegners. Den Pass empfängt der Mitspieler mit genug Zeit und ohne Gegnerdruck (siehe unten erste Abbildung).

Freier Mann im Zentrum bei Sociedad
Quelle: Wyscout / Freier Mann im Zentrum bei Sociedad

Gegen den Ball

Hier agiert Xabi Alonso höchst flexibel und passt sich den äußeren Gegebenheiten hat. Auch hier gibt es keinen Platz für zu hohes Risiko und Experimente, die scheitern könnten. Als er mit Real Sociedad in der dritten spanischen Liga spielte, entschied er sich für eine mutige Variante im Pressing. Nach dem Aufstieg in die Segunda Divison, war er nicht blauäugig und rechnete damit, dass seine junge Mannschaft in den meisten Spielen physisch und individuell unterlegen war. Der Spanier veränderte dahingehend die Pressinghöhe und versuchte mit seinem Team aus einem kompakten 5-3-2 heraus zu agieren (siehe unten erste Abbildung).

Sociedad verteidigt in einem kompakten 5-3-2
Quelle: Wyscout / Sociedad verteidigt in einem kompakten 5-3-2

Die gegnerische Abwehrkette konnte in dieser Saison fast immer ohne Gegnerdruck aufbauen. Die beiden Stürmer lenken im Anlaufen das Schiebeverhalten der Mannschaft. Dahinter drei zentrale Mittelfeldspieler, die alle Passwege ins Zentrum zustellen. In der eigenen Abwehr verteidigen sie mit engen Abständen und versuchen zu doppeln. So wird der Gegner im Aufbau immer auf die Außenbahnen gelenkt, damit das Zentrum und der kurze Weg zum Tor geschlossen bleiben (siehe unten erste Abbildung). Damit erklärt sich auch der schlechte Wert in „passes per defensive action“ (wie viele Pässe des Gegners lasse ich im Schnitt zu, bis ich ihn wieder erobere) in der Saison in Liga zwei. Mit durchschnittlich 13,2 Pässen waren die Basken in diesem Jahr mit Abstand auf dem letzten Platz. Konnten dafür in fast allen offensiven Statistiken mehr als nur mithalten. Was aufgrund der Kaderstärke mehr als Beachtlich ist.

Sociedad verschiebt im Fünferblock
Quelle: Wyscout / Sociedad verschiebt im Fünferblock

Umsetzung in der Gegenwart

Real Sociedad ist Vergangenheit. Die Gegenwart heißt Bayer 04 Leverkusen. Und auch dort scheint es für den 41-jährigen zu klappen. Nach knapp sechs Monaten Amtszeit können wir jetzt schon von einer kleinen Erfolgsgeschichte sprechen. Alonso unter dem Bayer-Kreuz passt wie die Faust aufs Auge. In der Bundesliga holt er im Schnitt 2,0 Punkte. In der „Xabi Alonso Tabelle“ liegt Bayer 04, seit Amtsantritt am 8. Spieltag, auf Platz vier. Die Mannschaft wurde nicht nur wieder zurück ins ruhige Fahrwasser geleitet, sondern hat sich innerhalb dieser sechs Monate zu einer der besten Mannschaften der Bundesliga entwickelt. Wenn man rein auf das taktische schaut, hat Alonso seinen spielerischen Ansatz aus Sociedad nicht nur auf die Leverkusener Mannschaft adaptiert, sondern diesen noch weiterentwickelt. Und genau diese Ansätze möchte ich euch zum Abschluss einmal zeigen.

Leverkusen im Ballbesitz

Wenn man die Statik von Bayer im Ballbesitz beobachtet, erkennt man sehr viele Ähnlichkeiten zu den oben beschriebenen Mustern von Real Sociedad B. Favorisiert spielen die Leverkusener unter dem Spanier aus einer 3-2-4-1 Formation im Ballbesitz. Die Flügelverteidiger schieben auf die Höhe der Halbraum 10er oder des Stürmers, um die Gegenspieler hoch zu binden (siehe unten erste Abbildung). Auch in der Bundesliga lässt sich immer wieder beobachten, dass die Werkself den Ball lange in der eigenen Dreierkette laufen lässt. Sie warten geduldig auf den richtigen Moment, bis sie die 6er anspielen können.

Leverkusen im Ballbesitz
Quelle: Wyscout / Leverkusen im Ballbesitz

Wenn der Halbraumverteidiger den Ball hat, lässt sich ein 10er aus dem Halbraum fallen. Vor allem dann, wenn der Gegner aus einer organisierten Block im Mittelfeld verteidigt. Dann greifen die Leverkusener auf den Doppelpass zwischen Innenverteidiger und Halbraumspieler zurück, so wie wir es aus Sociedad kennen. Gegen die Bayern waren es meist Sane und Kimmich, die aus der Ordnung heraus nach vorne geschoben haben und somit die Passwege und den Raum zum Zielspieler in der letzten Linie geöffnet haben (siehe unten erste Abbildung). Entscheidend ist auch hier wieder, dass der ballführende Spieler immer zwei Passoptionen hat. So kann sich Diaby dafür entscheiden, dass er den Ball klatschen lässt oder in mit einem Kontakt auf Frimpong weiterleitet. Dieser steht in der letzten Kette 1 gegen 1 mit Davies. Aus den ersten Mustern im Ballbesitz wird wieder schnell klar, dass das Spiel von Leverkusen auf seine Sache aus ist: Kontrolle.

Halbraum 10er lässt sich fallen
Quelle: Wyscout / Halbraum 10er lässt sich fallen

Alonso versteift sich in seinem taktischen Konzept aber nicht permanent auf die 3er Kette im Aufbau. Die Stärken und Schwächen des Gegners stehen immer im Vordergrund. Beim Spiel gegen Hoffenheim wusste der Spanier, dass die Hoffenheimer seine Mannschaft im ersten Spiel unter Mattarazzo hoch anlaufen werden. Darüber hinaus war es klar, dass die 3er Kette von Hoffenheim enorme Probleme darin hat, aus der Kette nach vorne verteidigen und dabei die Tiefenabsicherung vergisst. Daher stellt Alonso aus dem 3-4-3 in der Grundformation auf ein 4-2-1-3 im Ballbesitz um (siehe unten erste Abbildung). Der rechte Halbraumverteidiger Tapsoba schob dabei extrem weit raus. So konnte Frimpong in die letzte Linie des Gegners vorschieben. Generell steht die 4er Kette der Werkself im Aufbau extrem breit, um das Pressing der Hoffenheimer auseinanderzuziehen.

Leverkusen im 4-2-1-3 gegen Hoffenheim
Quelle: Wyscout / Leverkusen im 4-2-1-3 gegen Hoffenheim

Durch diese Strukur im Aufbau entsteht, auch bedingt durch das Anlaufverhalten der Hoffenheimer, eine Mann gegen Mann Situation in der letzten Kette, aus der Flo Wirtz immer wieder clever in den Halbraum fallen lässt. Neben der Mann gegen Mann Bindung entsteht ebenfalls ein ballnahes Dreieck (siehe unten erste Abbildung), dass die Werkself ,aufgrund der Tempovorteile, ohne Probleme ausspielen kann. Ein Doppelpass zwischen Wirtz und Frimpong hebelt die komplette Kette der Hoffenheimer aus und öffnet den tiefen Raum hinter der Kette. In letzter Konsequenz steht auch Adam Hlozek im Zentrum 1 gegen 1, welchen Frimpong nach einer guten Hereingabe findet, und vollendet diesen Angriff mit einem Torerfolg. Von der ersten bis zur letzten Linie sind das überragende Strukturen im Ballbesitz von Bayer 04, die wir diese Saison, vor allem wenn der Gegner schwächer ist, schon häufiger beobachten konnte.

Ballnahes Dreieck gegen Hoffenheim
Quelle: Wyscout / Ballnahes Dreieck gegen Hoffenheim
 Doppelpass Wirtz/Frimpong und der geöffnete Raum hinter der Kette
Quelle: Wyscout / Doppelpass Wirtz/Frimpong und der geöffnete Raum hinter der Kette

Bayer 04 gegen den Ball

Bei Amtsantritt des 41-jährigen übernahm er eine komplett verunsicherte Truppe, die vor allem zu viele Gegentore bekam. Deswegen veränderte er auch die Strukturen gegen den Ball. Leverkusen zeichnet unter Alonso aus, dass sie in Phasen, wo sie tief verteidigen, sehr leidensfähig sind. Sie verteidigen in einem 5-2-3 mit sehr engen Abständen, um das Zentrum geschlossen zu halten und in der eigenen Abwehr zu doppeln (siehe unten erste Abbildung). Sie schieben dann sukzessive aus der Ordnung vor, wenn der Gegner einen Rückpass spielt. Auch hier gilt wieder: Immer kontrolliert und kein falsches Risiko.

Leverkusen verteidigt kompakt im 5-2-3
Quelle: Wyscout / Leverkusen verteidigt kompakt im 5-2-3

Trotzdem wählt der Spanier in der Regel den mutigen Ansatz im Pressing. Bei Torabstoß des Gegners verschiebt Leverkusen aus dem 5-2-3 in ein 3-4-3 und positioniert die Flügelverteidiger höher. Gegen die Bayern liefen sie deren 3er Kette mutig Mann gegen Mann an. Demirbay, der als 6er auflief, nahm in der erste Phase im Pressing Kimmich in Manndeckung (siehe unten erste Abbildung). So lenken sie die Bayern immer wieder nach außen und packen dann, in einer situativen 5 gegen 3 Überzahl zu. Sie schneiden den Bayern in ihrem Pressing alle Passwege ins Zentrum und zurück zum Innenverteidiger ab und versuchen permanent hohe Ballgewinne zu erzielen (siehe unten zweite Abbildung).

Leverkusen läuft Bayern Mann gegen Mann an
Quelle: Wyscout / Leverkusen läuft Bayern Mann gegen Mann an
 Leverkusen hat eine situative 5 gegen 3 Überzahl auf außen
Quelle: Wyscout / Leverkusen hat eine situative 5 gegen 3 Überzahl auf außen

Trotzdem ist Xabi Alonso wichtig, dass seine Spieler im Pressing nie die Ordnung in der eigenen Abwehr verlieren. Die eigene 3er Kette steht eng zusammen und versucht immer mit einem Mann in Überzahl zu spielen. In vorderster Linie lassen die drei Anläufer den ballfernen Spieler immer frei und schneiden den Passweg dahin ab. Ein Sechser schiebt immer aus der Ordnung vor. Der zweite bleibt für die Restverteidigung vor der Kette (siehe unten erste Abbildung). Die Hertha zwangen sie dadurch immer wieder zum Fehlpass oder zum unkontrollierten langen Ball.

Leverkusen Pressing gegen die Hertha
Quelle: Wyscout / Leverkusen Pressing gegen die Hertha

Fazit:

Im Laufe der Analyse werdet ihr festgestellt haben, dass sich viele Muster aus der Zeit von Alonso bei Real Sociedad auf das heutige Leverkusen übertragen lassen. Leverkusen spielt mutig auf den 6er. Zieht die Ketten auseinander. Sorgt für Unordnung beim Gegner. Spielt in der letzten Kette flexibel in den Positionen. Spielen immer kontrolliert und behalten die Oberhand. Und trotzdem hat Xabi Alonso seine bereits funktionierenden taktischen Stilmittel aus der Segunda Division weiterentwickelt und auf die Werkself zugeschnitten. Das macht sich so gefährlich und aufgrund der dazukommenden individuellen Qualität so schwer zu verteidigen. Leverkusen spielt den Fußball, den viele seit Jahren in der Bundesliga vermissen. Vor allem passierte es so, weil die Verantwortlichen von Bayer 04 sich für eine mutige Variante entschieden haben. Die, wenn man sich Alonso bei Sociedad anschaut, mit gar nicht so viel Risiko verbunden war. Denn alles was den spanischen Coach taktisch auszeichnet, passt perfekt zum Kader von Bayer 04 Leverkusen. Man kann den Club und die Bundesliga nur beglückwünschen, dass sie einen so fantastischen Coach in der Liga haben. Sein System hat Potenzial zur absoluten Weltklasse. Als Trainer stehen ihm alle Türen offen. Doch aktuell ist Xabi Alonso da wo er ist am besten aufgehoben und bleibt Leverkusen und der Bundesliga hoffentlich noch etwas länger erhalten.

Hinweis:
Deniz hat im Juni 2022, vor Saisonbeginn, Xabi Alonsos erste Saison bei Real Sociedad 20/21 analysiert.
Wer nach Bennys Analyse im Anschluss passend dazu Alonsos Entwicklung im ersten Jahr nachlesen will, kann hier entlang.

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