StartAnalysenTraditionsvereine blasen zum Angriff: Wo steht Borussias U23 in der Regionalliga?

Traditionsvereine blasen zum Angriff: Wo steht Borussias U23 in der Regionalliga?

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Wäre da in der vergangenen Saison nicht das in der Regionalliga West übermächtige Preußen Münster gewesen, dann hätte Borussias U23 im Frühjahr wohl an der Schwelle zur 3. Liga gestanden. Borussia gab den 2. Platz in der Liga hinter Münster zwar am letzten Spieltag noch an Wuppertal ab. Das absolut irrwitzige 5:5 auf Schalke wäre aber sicher ein anderes Spiel gewesen, wenn Eugen Polanskis Team noch ernsthaft um den Aufstieg gespielt hätte und nicht Münster schon als Aufsteiger festgestanden hätte. Nun ist das Leben aber kein „Wünsch dir was“, sondern ein „So ist es nun einmal“ und aus langen Konjunktivketten ist noch selten Realität geworden. Borussias U23 startet also morgen in eine weitere Regionalliga-Saison und darf sich einmal mehr in einer attraktiven Liga mit 17 anderen NRW-Clubs messen. Was können wir von der Spielzeit erwarten?

Die Regionalliga West 2023/2024: Wer könnte aufsteigen?

In den letzten zwei Jahren hat sich die einst als Haifischbecken berüchtigte Regionalliga West durchaus etwas entschlackt. In Rot-Weiss Essen und Preußen Münster schafften in den letzten beiden Spielzeiten zwei absolute Schwergewichte den Drittliga-Aufstieg. Noch vor zwei Jahren holten die beiden in ihrem gemeinsamen Regionalliga-Jahr jeweils 87 Punkte und verloren nur jeweils drei ihrer 38 Ligaspiele. Außerdem gab es seit nunmehr zwei Jahren keine nordrhein-westfälischen Drittliga-Absteiger mehr, sodass die Regionalliga mit jeweils vier Oberliga-Aufsteigern wieder auf 18 Teilnehmer aufgestockt wird. Kurzum: die Regionalliga hat in ihrer Spitze sicher etwas an Qualität eingebüßt – viele Medien und Club-Verantwortliche gehen in der kommenden Saison von einem der engsten Aufstiegsrennen der letzten Jahre aus.

Doch auch ein vermeintlich enges Rennen braucht einen Top-Favoriten: in der Regionalliga West ist das im kommenden Jahr Alemannia Aachen. Nach über zehn Jahren im „Sumpf“ der Viertklassigkeit hat man in der Kaiserstadt das Fehlen eines strukturell übermächtigen Kontrahenten als Chance ausgemacht und mit insgesamt 34 Transfers an der erhofften Aufstiegsmannschaft gebastelt – von den insgesamt 16 Neuzugängen kamen dabei fast alle von direkten Liga-Konkurrenten. Über 6000 verkaufte Dauerkarten und ein Zuschauerrekord zum Saisonauftakt (mehr 25.000 Zuschauer gegen Wuppertal heute Abend) zeugen von der großen Euphorie, die der Verein mit seiner „Aufstiegsoffensive“ in der Aachener Fanlandschaft ausgelöst hat.

Neben der Alemannia werden oft die nächstgrößeren Regionalliga-Clubs Rot-Weiß Oberhausen sowie der Wuppertaler SV als Aufstiegsfavoriten genannt. Auch in Oberhausen sieht man im ausgeglichenen Feld der neuen Regionalliga-Spielzeit eine Chance und erhofft sich Chancen, um den Aufstieg mitzuspielen. Nominell ist dabei mit der Verpflichtung des inzwischen 36-jährigen Moritz Stoppelkamp sicher der größte Transfercoup gelungen. Gut verstärkt hat sich auch der letztjährige Tabellenzweite aus Wuppertal. Der WSV verpflichtete unter anderem den Ex-Borussia-Innenverteidiger Niklas Dams (später Genf, BVB II und Wehen) sowie den international erfahrenen Stürmer Charlison Benschop (u.a. Fortuna Düsseldorf). Wuppertals neuer Linksaußen Phil Beckhoff steuerte letzte Saison noch zehn Scorerpunkte in 23 Einsätzen bei Borussias U23 bei.

Genannt werden muss darüber hinaus auch noch der SV Rödinghausen, der in den letzten sechs Regionalliga-Spielzeiten nie schlechter als auf Platz 6 landete und sich mit Hilfe eines finanzstarken Mäzens zu einer festen Größe in der Spitzengruppe der Regionalliga West entwickelt hat.

Borussias U23: Was ist passiert und was kann man erwarten?

Nicht zu den unmittelbaren Aufstiegsfavoriten zählen dürfte dagegen Borussias U23. Obwohl die Mannschaft ja letztes Jahr wie eingangs erwähnt nur um ein Haar am zweiten Tabellenplatz vorbeischrammte und kein Team außer Münster mehr Punkte holte, fällt der Umbruch in Borussias Zweitvertretung – wie auch im Profiteam – doch enorm aus:

Top-Scorer Semir Telalovic hat von Borussia eine Wechselfreigabe erhalten und wird dem Vernehmen nach demnächst zu einem Drittligisten wechseln. Somit fallen bereits 28 Scorerpunkte weg. In Tom Gaal, Per Lockl, Steffen Meuer, Kaan Kurt und Enrique Lofolomo gab Borussia außerdem fünf weitere Spieler ab, die in der kommenden Saison allesamt für Drittligavereine auflaufen werden. Zählt man noch Joker Phil Beckhoff dazu, den es nach Wuppertal zog, dann kommt man auf insgesamt sieben regelmäßig eingesetzte Spieler, die Eugen Polanski in der kommenden Saison nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

Die vielen Transfers an sich wären in der transferfreudigen Regionalliga (in der die Vereine im Sommer im Schnitt 24 Käufe und Verkäufe tätigten) noch nicht weiter erwähnenswert. Als U23-Team verfolgt Borussia aber natürlich nicht primär und singulär das Ziel, eine Mannschaft für die Spitzengruppe der Liga zu formen. Vielmehr stehen Talenteförderung und Spielerentwicklung im Vordergrund des Interesses. Und so wurden die genannten Abgänge durch das „Hochziehen“ von einer Handvoll A-Jugendlicher aufgefangen. Borussias U23 ist damit in der kommenden Saison wieder das jüngste Team der Regionalliga West. Neben den neuen A-Jugendlichen kehrt Julian Korb als Routinier ins U23-Team zurück.

Champions-League Erfahrung für das defensive Mittelfeld von Borussias U23

Korb soll in der U23 als defensiver Mittelfeldspieler zum Einsatz kommen und so im Zentrum des Spielfelds eine Achse mit den anderen Ü23-Akteuren Michel Lieder und Cagatay Kader bilden, die die Innenverteidigung und das Sturmzentrum abdecken. Aus dem bewährten Spielerstamm der vergangenen Saison sind Phil Kemper und Mika Schroers weiterhin dabei, die auf der linken Spielfeldseite gute Chancen auf reichlich Einsatzzeiten haben dürften. Offen scheint dagegen der Platz in der Innenverteidigung neben Kapitän Michel Lieder. In den Vorbereitungsspielen wechselten sich hier oft Dimitrie Deumi Nappi und der durch seine Profi-Einsätze bekannte Ibrahim Digberekou ab. Jamil Najjar, der sich am Ende der letzten Saison neben Michel Lieder auf der linken Innenverteidiger-Position festgespielt hatte, kam in der Vorbereitung verletzungsbedingt nicht zum Einsatz.

Auf der Doppelsechs neben Julian Korb hinterließ Noah Andreas in der Vorbereitung einen recht aufgeräumten Eindruck und scheint gute Chancen zu haben, sich einen Stammplatz neben Korb zu ergattern. Noch unklar ist, ob die rechte Abwehrseite weiterhin durch Simon Walde besetzt werden kann, oder ob Walde nach dem langfristigen Ausfall von Stefan Lainer etatmäßig bei den Profis eingeplant wird. Als erste Alternative für Walde erhielt zuletzt Jacob Italiano in Münster den Vorzug vor Yassir Atty. Auf der Rechtsaußen-Position scheint derzeit Kushtrim Asallari die Nase vorn zu haben. Mit Oguzcan Büyükarslan, Dillon Hoogewerf und dem luxemburgischen Junioren-Nationalspieler Selim Turping gäbe es allerdings reichlich Alternativen.

Der neue Hoffnungsträger für Borussias U23: Shio Fukuda

Borussias Doppelsturm bestand in der Vorbereitung oft aus Shio Fukuda und Ryan Naderi, der letztes Jahr als Joker eine gute Premierensaison in der Regionalliga ablieferte. Cagatay Kader kam dagegen eher von der Bank ins Spiel. Insbesondere Fukuda zeigte sich in den Testspielen sehr treffsicher und deutete bereits so kurz nach dem Sprung in den Seniorenbereich sein großes Potenzial an.

Zweifelsfrei dürfte Borussias U23 mit Trainer Eugen Polanski in der kommenden Regionalliga-Saison also eine sehr spannende Mannschaft mit ebenso spannenden Spielern sein. Da jedoch ein erheblicher Teil der neuen Mannschaft im kommenden Jahr von der zweiten in die erste Reihe treten muss und darüber hinaus den bisherigen A-Jugendlichen der Sprung in den Seniorenbereich erst noch gelingen muss, wäre es wohl etwas vermessen, von Borussias U23 zu erwarten, dass sie wieder in der hart umkämpften Regionalliga-Spitzengruppe mitmischt. Dazu waren und sind die Transferoffensiven und die Zielsetzungen der großen Clubs dann doch eine Nummer zu ambitioniert. Außerdem lässt sich auch noch nicht genau absehen, inwiefern Polanskis Mannschaft in der neuen Saison weiterhin auf „Profi-Leihgaben“ wie Yvandro Borges Sanches, Oscar Fraulo oder Jan Olschowsky zurückgreifen kann.

Eine erfolgreiche Saison hätte die U23 am Ende sicherlich auch dann gespielt, wenn sie eine gute Rolle in der oberen Tabellenhälfte eingenommen, die anderen Zweitvertretungen – Paderborn, Düsseldorf, Schalke und Köln – hinter sich gelassen und vielleicht endlich mal wieder den ein oder anderen Spieler an die erste Mannschaft herangeführt hätte. Mit Blick auf den „Borussia-Weg“ wäre das doch fast noch schöner, als an der Schwelle zur 3. Liga zu stehen.

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