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Richtiges im Falschen – Ein Gruß zum Neujahr nach der WM

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Ein Kommentar von @borussiabarca


So zumindest ging es mir. Und so fragte ich mich vor allem eines.

Soll ich überhaupt noch Fußball gucken? 

Wie einige Andere habe ich mir diese Frage nicht nur in Bezug auf die WM in Katar gestellt. Ich habe während des Turniers zunehmend daran gezweifelt, dass professioneller Fußball an sich etwas ist, dem man anhängen sollte: Wird er doch zunehmend zu einer hochtourigen Geldwaschanlage, die von gewissenlosen Funktionären betrieben wird und deren Rohstoff nicht zuletzt die dauergehypten Fans sind, die sich mehr für Highlights, Skandale und Spielertransfers interessieren als für den Sport. Die Infantinos, Ronaldos, Romanos dieser Welt und wir alle, die wir bei Twitter komplett distanzlos über jedes noch so kleine Stöckchen springen und so die Wutmaschinen am laufen halten, sind Teil der modernen Fußball-Unkultur. “Weiße Ritter” wie beispielsweise couragierte Spieler, die die Eigenlogik ihres Berufes wirklich infragestellen, sind weit und breit nicht zu finden. Alle hängen mit drin.

Und es wird immer schlimmer – weil der Markt es so will und die Kulturindustrie ausgezeichnet funktioniert. Die WM in Katar hat den Weg gewiesen und deutlich gemacht, dass der zaghafte ethische Diskurs nicht einmal in Europa Mainstream ist – von anderen Teilen der Welt ganz zu schweigen. Einen ernstzunehmenden Störfall gab es nicht – weder in den Stadien noch vor den Endgeräten: Während die Quoten in Deutschland leicht eingebrochen sind, haben die Menschen in den Nachbarländern einigermaßen unverzagt zugeguckt.

Und ja: Auch ich habe mich kaufen lassen und irgendwann wieder eingeschaltet. Ich habe beinahe körperlich daran gelitten nicht Teil des Spektakels zu sein. Wie bescheuert ist das eigentlich?

Also alles scheiße?

Nein: Es gibt noch Richtiges im Falschen, für das es sich zu streiten lohnt. Gerade das, was manche während der WM als Arroganz oder Spießigkeit ausmachten, lässt mich an die europäische Fußballkultur glauben. Ja, in Deutschland wird gerne moralisiert. Fußball und Moral sind hier vielleicht enger beieinander als sonstwo. Gott sei Dank!

Natürlich ist auch hierzulande kein Mangel an korrupten, größenwahnsinnigen (looking at you, Aki Watzke) Funktionären mit ungesunder Machtfülle. 

Aber es gibt eben auch eine Kultur, die den Sport mehr als Kommerz sein lässt. Der professionelle Fußball in Deutschland ist zum Beispiel dank 50+1, den Ultras und der weiter wachsenden kritischen (Fan-)Medienlandschaft global gesehen ziemlich woke – und das ist auch gut so. Fanproteste und ausufernde, viel zu nerdige Debatten auf irgendwelchen nischigen Blogs sind kleine Fenster zu einer Welt, in der der Fußball wieder anders, ein “rebellisches Spiel” (Jan Busse und René Wildangel) ist, das den Menschen Ablenkung, Freude und Trost zu schenken vermag. 

Und Borussia?

Gesundschrumpfen ist das Gebot der Stunde – nicht nur am Niederrhein. Borussia sucht den Weg zurück zu sich. Dabei gilt: Weniger ist mehr. 

Denn mittlerweile sollte uns allen bewusstgeworden sein, welcher Gefahr Borussia durch den Transfer Max Eberls in die Getränkeindustrie entgangen ist. Nicht nur wird einem mit jedem Statement klarer, welch verqueren Blick dieser auf den Fußball hat (jüngstes Stichwort “deutsche Tugenden”): Es muss auch davon ausgegangen werden, dass die RBisierung Eberls schon seit einigen Jahren im Gange war und auch seine Entscheidungen in den letzten Gladbacher Jahren in diesem Ungeiste getroffen worden sind. Dass es zwischen Eberl und der Gladbacher Vereinsführung vor seinem Abgang geknirscht hat, spricht nur für Letztere, deren bekannte Risikounfreudigkeit zwar schon häufig Anlass für Kritik war, aber nicht zuletzt auch dafür verantwortlich ist, dass sich dieser Verein auf der Jagd nach Erfolg noch nicht in den Arme eines Geldgebers geworfen hat. 

Dass Borussia abseits nervtötender Transfergerüchte so langweilig wie lange nicht mehr ist, ist also durchaus positiv zu bewerten. Roland Virkus vermittelt seine sportliche Idee glaubhaft und hat die Reihen geschlossen. Seine Nähe zum Sport zeigt sich in Entscheidungen, die vielleicht nicht immer so große Beachtung wie Rekordeinkäufe finden, deren Umsetzung aber lange überfällig war. Zusammen mit Daniel Farke strahlt er Ruhe aus, die hoffentlich auch Stück für Stück auf uns Fans, die wir durch die Höhenflüge in CL und Co. ein Stück weit die innere Mitte verloren zu haben scheinen, übergehen wird. Das Jahr 2023 wird uns sicher nicht nur Euphorie bringen, sondern auch unsere Geduld und vor allem unser Vertrauen auf neue Proben stellen. Borussia setzt gegen die Schnelllebigkeit wieder auf starke Werte und stetige Entwicklung – wir Fans sind eingeladen mitzumachen. 

Lasst uns zuletzt also hoffen, dass Borussia – in bester Tradition – einen Trend setzt und der Fußball insgesamt weniger spektakulär und warenförmig, sondern ein bisschen so wird wie das Aufbauspiel der Fohlenelf in der Hinrunde: langsam und komplex.

Frohes neues Jahr!

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