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Lieber Gladbach II als lang und weit!

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U23 Kapitän Michel Lieder im Interview

ein Interview von Möppi (@maetthimoped)

Michel Lieder ist der Kapitän der U23 und geht mit zwei Toren in zwölf von zwölf möglichen Spielen voran. Er ist der erste Teil unseres U23 Contents, der während der WM Pause kommen wird und unser erstes großes Interview. Er erzählt von seiner Rolle in der U23, seinen persönlichen Ambitionen und warum er lieber der Alte unter den Jungen ist als Schlachten-Fußball in der 3. Liga zu spielen.

Michel, verzeih mir, dass ich mit einem Wortwitz anfange: Du hast zuletzt gegen Aachen zwei Rudelbildungen ausgelöst, macht dich das zu einem aggressive Leader/Lieder?

(lacht) Erstmal muss ich klarstellen, dass die Rudelbildung nicht meinetwegen war. In solchen Spielen heißt es für mich aber voranzugehen und mich vor die Jungs zu stellen, vor allem bei so einer Kulisse. Damit jeder seine Leistung bringen kann, nehme ich diese Last gerne auf meine Schultern.

Du bist als Kapitän ein ziemlicher Fixpunkt in der U23, in der auch ein gewisser Durchlauf an Spielern stattfindet. Wie siehst du deine Rolle im Team?

Letztes Jahr war es schwieriger, da ich als einziger älterer Spieler da war. Jetzt haben wir noch Joshua und Kader [Joshua Holtby (26) und Cagatay Kader (25) Anm. d. Red.] dazugeholt. Normalerweise sind in der U23 immer drei ältere Spieler dabei. Als ich hochgekommen bin, waren es Pisano, Stang und Kraus, mit denen ich nach wie vor noch guten Kontakt habe und von denen ich mir viel abschauen konnte. Damals als junger Spieler konnte man nie so wahrnehmen, wie viel so ein älterer Spieler eigentlich machen muss, damit die Mannschaft läuft. Ich glaube, ich hatte viele gute ältere Spieler vor mir. Man muss immer bei sich bleiben. Man ist viel mit dem Trainer im Gespräch und der will viel wissen – manchmal auch zu viel. Da muss man als älterer Spieler aufpassen, dass es von der Kommunikation her in der Mannschaft stimmt. Man muss auf sich und seine Leistung schauen, aber auch neben dem Platz vorangehen.

Wie verbindest du dann deine persönlichen sportlichen Ambitionen mit dem allgemeinen Ziel der U23, Spieler für den Profifußball vorzubereiten?

Erstmal möchte ich gute Leistungen bringen. Denn, wenn ich nicht gut spiele, darf ich auch zu keinem anderen was sagen. Ich habe mich bewusst für den Weg entschieden, hier älterer Spieler zu sein. Den jüngeren Spielern musst du die Chancen vor Augen halten, die Einsätze bei uns bedeuten können, weil auch viele Scouts zu unseren Spielen kommen. Die Jungs dürfen es nicht als Strafe empfinden, bei uns zu spielen, statt direkt in den Profikader zu kommen. Ich hoffe, dass ich ihnen das klar mache, denn sie brauchen Spielzeit, um sich weiter oben zu empfehlen und es in den Profifußball zu schaffen.

Bei den Profis gibt es dann auch die großen Gehälter, die es sicherlich nicht in der Regionalliga West gibt. Was machst du neben dem Fußball?

Ich mache eine Weiterbildung als Spielanalyst, eine Tätigkeit, die mich sehr interessiert. Ich gucke mir viel in der Videoanalyse ab und ich habe schon viele verschiedene Trainer erlebt und mitbekommen, worauf sie Wert legen. Daraus versuche ich, meinen eigenen Stil zu bilden. Ich verdiene hier Geld, mit dem man gut leben kann. Mit der Freizeit, die ich habe, möchte ich etwas Vernünftiges anstellen, was mich auch persönlich weiterbringt. Vorher habe ich mich mit Ernährungswissenschaften beschäftigt, aber das war nicht so meins. Jetzt habe ich das gefunden, was mir Spaß macht.

Dann kannst du dir ja mal die Analysen bei BorussiaExplained.de durchlesen.

Ich habe mir schon einige durchgelesen und mein eigenes Fazit gezogen (lacht).

Wenn du sagst, du entwickelst deinen eigenen Stil, was für einen Fußball magst du?

Ich will immer  agieren, will den Ball haben und bestimmen, was wir damit machen. Deswegen passt es gut dazu, was die oben [bei den Profis Anm. d. Red.] gerade machen und wir als Mannschaft auch versuchen. Egal wie hoch wir gepresst werden, egal wie der Gegner spielt, wir wollen immer mutig, flach raus spielen und den Gegner laufen lassen. Ich spiele lieber drei-, viermal selber von links nach rechts, als frühzeitig den Ball vorne zu verlieren, denn dann musst du hinterher laufen und hast die schlechtere Ausgangssituation.

Dein Trainer Eugen Polanski sieht das ähnlich und er sagte in einem Interview, dass du einen starken Spielaufbau hast. Was fordert der Trainer von dir im Spielaufbau?

Allgemein fordert er von uns Innenverteidigern mutig zu sein und den Ball haben zu wollen, um den nächstmöglichen Spieler besser dastehen zu lassen und ihn nicht in eine schlechte Situation zu bringen. Genau das üben wir auch oft. Man kann natürlich auch den Ball nach vorne schlagen, was wir aber eher nicht machen – dafür haben wir auch nicht die Spielertypen. Ich würde auch sagen, dass der Spielaufbau eine meiner Stärken ist, auch weil es mir wichtig ist – selbst beim Fußballgucken – , dass es jemand macht.

Der jetzige Spielstil scheint dir, anders als in der vergangenen Saison, mehr entgegen zu kommen.

Der Spielstil kommt mir absolut entgegen. Letzte Saison wollten wir es ähnlich machen, waren dann aber irgendwann in einer Situation, in der es nicht mehr um schönen Fußball ging, sondern nur noch um Punkte. Das war auch eine wichtige Erfahrung, sowohl für junge Spieler als auch für mich. Oftmals haben wir nicht schlecht gespielt, aber die Punkte nicht geholt. Innerhalb der Mannschaft war uns dann klar, wir müssen einfach Punkte holen, um den Klassenerhalt möglichst schnell klarzumachen, egal wie. Da spielt man vielleicht dann nicht unbedingt jeden Risikopass.

Also ist im Notfall ein Abrücken von den fußballerischen Idealen für dich legitim?

Irgendwann muss man darüber nachdenken, weil es einen Grund hat, warum man vorher nicht die Punkte geholt hat. Es lag eventuell nicht am Spielstil an sich, sondern auch an den Spielern selbst oder ihrer Positionsauslegung. Wenn es eng wird, muss man auch umdenken können.

Wenn man in der Regionalliga für diesen Ballbesitzfußball bekannt ist, versuchen die Gegner dann erst recht, früh anzulaufen und aggressiv zu sein oder kann man mit dem Ball am Fuß auch mal Meter machen?

Letzteres hat man eher selten. Ich habe es aber auch lieber, wenn der Gegner sehr hoch presst, weil man dann auch mehr Räume bekommt. Wir haben wenige Mannschaften in der Liga, die sich nur hinten reinstellen. Viele wollen dennoch nicht aktiv das Spiel gestalten. Da muss man sich anpassen. Viele Spieler regen sich darüber auf, weil es viele hohe Bälle gibt. Das ist aber in der dritten Liga nicht anders. Wir wollen solange den Gegner laufen lassen, bis sich uns die Gelegenheit bietet, einen wirkungsvollen Angriff zu setzen.

Man sieht es auch in der Bundesliga, dass solche Teams früh aggressiv spielen, um den Spirit des Gegners zu brechen. Fällt es dir schwer, da ruhig zu bleiben, oder bist du da ganz entspannt?

Mir persönlich fällt es nicht mehr schwer, weil ich schon einiges erlebt habe. Es ist aber schwierig, seine Mitspieler darauf vorzubereiten, wenn sie es noch nicht so gut kennen. Sie merken aber auch, wenn es zwei-, dreimal klappt, ruhig hinten raus zu spielen, dass dann das Selbstvertrauen kommt. Keine Mannschaft kann 90 Minuten pressen. Wir versuchen lieber kontrolliert zu spielen, bevor wir in den ersten 15 Minuten den Ball nur lang schlagen.

Also bist du eher bei Christoph Kramer, wenn er sagt, man kommt über das Spiel in den Kampf und das Selbstvertrauen.

Zu einhundert Prozent. Er hat mal gesagt, dass er niemand ist, der vor Spielen wirklich angespannt ist. So ist es bei mir auch. Ich versuche gut ins Spiel zu kommen und im Spiel hole ich mir die nötige Aggressivität, aber auch die Ruhe, um meinen Spielstil durchzubringen. Selbstvertrauen bekommt man über gute Aktionen, vor allem am Anfang. Wenn das nicht klappt, muss man die Zeit überbrücken und kann sich zum Beispiel in der Halbzeit neu sammeln. Man muss bei sich bleiben.

Man merkt z.B. beim Konterspiel des Gegners, dass du viel Raum durch deine Schnelligkeit auffängst. In welchen Situationen kannst du dein Tempo mal richtig ausspielen? Nur defensiv oder auch mal offensiv?

Vorne leider zu wenig. (lacht) Wir wollen früh den Ball haben, also müssen wir Innenverteidiger hochschieben. Bei einem langen Ball des Gegner muss man das ein oder andere Laufduell führen. Fürs Antizipieren des Balles muss ich meistens Tempo aufnehmen, sonst wird es eng.

Ist es nicht ungewohnt, wenn man so hoch steht, so viel Wiese hinter sich zu haben als Innenverteidiger?

Ich bin da relativ entspannt, da wir auch einen Torhüter haben, der hoch stehen soll, um den Ball im Notfall ablaufen zu können.Um so zu stehen, brauchen wir auch den Ballbesitz, denn wenn man den nicht hat, dann macht man einen Sprint drei, vier mal und man ist so fertig, dass man den nicht noch ein fünftes Mal gewinnt. Es geht um Ballbesitz, technische Sauberkeit und das Vermeiden von Fehlern. Dafür wollen wir stehen.

Ihr seid nun mit der U23 in einer speziellen Liga, mit weiteren U23 Teams, großen Traditionsvereinen, wie Aachen und Münster und dann stehst du in Straelen zwischen Blumenfeldern auf einer Sportanlage. Macht das für dich einen großen Unterschied?

Ich spiele lieber in großen Stadien und vor allem auswärts, denn bei uns kommen nicht immer so viele Zuschauer. Ich bin auch jemand, der gerne die Fans gegen sich hat, weil es mich und meine Mitspieler pusht. Es ist schwierig, wenn man zum Beispiel in Straelen spielt, immer wieder vom Trainer zu hören, dass es hier auch um drei Punkte geht. Das ist komplizierter, als wenn man gegen den Tabellenersten in einem Hexenkessel spielt. Das sehe ich oft bei meinen Jungs und versuche ihnen beizubringen, dass man alle Spiele gleich angehen muss. Gegen Münster und Aachen haben wir top gespielt und bei den Aufsteigern bisher die Punkte liegen gelassen. Wenn du aber oben stehen willst, musst du gerade diese Partien gewinnen. Das hat etwas mit Entwicklung zu tun, diese Spiele noch ernster zu nehmen.

Mit Freiburg und Dortmund spielen momentan zwei Zweitvertretungen in der 3. Liga. Ihr wart 2015 Regionalligameister. Ist es für dich ein realistisches oder eher ein Traumszenario mit Mönchengladbach in der 3. Liga zu spielen?

Es ist ein Traum, aber auch realistisch. Die letzten Jahre waren wegen vieler Wechsel schwierig und die U23 soll auch ausbilden. Leider haben wir in dieser Saison schon viele Punkte liegen gelassen. Unser realistischer Anspruch ist jedoch, oben mitzuspielen. Das Qualität dazu haben wir in diesem Jahr im Team. Für uns wäre es ein Bonus aufzusteigen, andere Mannschaften haben einen höheren Etat und müssen aufsteigen. Man muss aber auch Glück haben, dass andere Vereine keine Über-Saison spielen. Vor zwei Jahren hatten Essen und Dortmund beide über 90 Punkte. Da musste man einsehen, dass es unrealistisch war, aufzusteigen.

Für die WM-Pause haben schon viele Fans angekündigt, euch auswärts gegen Oberhausen zu unterstützen. Spornt dich so etwas an?

Auf jeden Fall. Ich freue mich immer, wenn mehr Fans zu unseren Spielen kommen. Aus dem Grenzlandstadion kann man leider nur schwer einen Hexenkessel machen. Gegen Essen fand ich es sehr cool, dass so viele da waren und es spornt mich auch an. Es gibt den Jungs auch einen Vorgeschmack darauf, was sie oben erwartet.

Was erwartet dich denn noch in deiner Fußballerkarriere? Mit 26 ist diese ja schon halb vorüber.

Ich bin schon lange im Verein und ich habe mich aktiv dazu entschieden, den älteren Spieler zu geben. Es macht mir sehr viel Spaß und ich bereue die Entscheidung überhaupt nicht. Die Möglichkeiten, die ich hatte, waren oftmals Wechsel zu 3. Liga-Vereinen. Aber da passte für mich persönlich der Spielstil nicht. Müsste ich nur lange Bälle schlagen, dann würde mir Fußball weniger Spaß machen. Deshalb waren mir die Wechselmöglichkeiten in die 3. Liga nicht verlockend genug, um das was ich an Borussia habe aufzugeben. Mir macht es viel Spaß hier, aber ich bin auch offen, falls etwas kommt, das ich unbedingt machen will. Meine Ambitionen sind es, jedes Spiel zu gewinnen, die Jungs besser zu machen und ihnen viel mit auf den Weg zu geben. Ich freue mich auch über Kontakt mit ehemaligen Mitspielern, die es später in der zweiten und dritten Liga geschafft haben und sich bei mir bedanken.

Du bevorzugst Borussias Spielstil also mehr, als den in einer höheren Liga?

Die Philosophie von Borussia und auch ihrer zweiten Mannschaft ist es, immer Fußball zu spielen. Die Gegner nehmen uns immer ernst, denn sie wissen, wenn sie es nicht tun, nehmen wir sie spielerisch auseinander. Darin sind wir eine der besten Mannschaften der Liga. Es liegt nur öfter an anderen Dingen, wie zum Beispiel fehlender Erfahrung, wenn es nicht klappt. Mir macht es viel Spaß im Training diese Qualität zu haben und im Spiel zu versuchen das rüberzubringen.

Wirst du auch hin und wieder zum Auffüllen des Kaders in Training und Vorbereitung hochgezogen?

Ich behaupte, dass die Zeiten vorbei sind. (lacht) Ich habe schon ca. 20 Testspiele oben [bei den Profis Anm. d. Red.] gemacht. Inzwischen bin ich in einem Alter, in dem ich sage: Nehmt lieber einen Jüngeren. Natürlich mache ich es trotzdem, wenn ich gefragt werde. Es geht aber primär um die jungen Spieler. Die Vorbereitung der letzten Saison und die Kontakte nach oben haben mich persönlich weitergebracht. Es hat mir zum Beispiel auch viel bedeutet, als ein Trainer wie Adi Hütter zu mir meinte, dass er wüsste, dass im Notfall jemand da ist, der aushelfen könnte. Natürlich hätte ich auch große Lust im BORUSSIA-PARK zu spielen, aber ich kann das realistisch einschätzen und weiß um meine Rolle als älterer Spieler in unserem Team.

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