Gegen den 1. FC Heidenheim hat sich Borussia den ersten Heimsieg der Saison gesichert. Trotz schwacher Schlussphase hat sich die Mannschaft die drei Punkte durch gute Einzelleistungen verdient. Florian (@borussiabarca) guckt für euch nochmal genau hin.
Außenverteidiger in neuer Rolle
Nach dem Spiel in Köln, in dem man zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf den Gegner hatte, wählte das Team um Gerardo Seoane gegen den Aufsteiger einen kompakteren Ansatz gegen den Ball. Borussia positionierte sich in zwei engen Viererketten hinter den Stürmern Lasso Plea und Jordan.
Die Außenverteidiger Luca Netz und Joe Scally rückten weit ein, um die Abstände zu den Innenverteidigern knapp zu halten.
Ihnen kam vor allem im Mittelfeldpressing eine aktive Rolle zu: So verzichteten die offensiven Außen Ngoumou und Honorat auf hohes Anlaufen, um die Breite und Tiefe zuzustellen, während Netz und Scally Druck auf die Gegenspieler in den Halbräumen machten.
Während Netz offensichtlich dazu angehalten wurde Ngoumou nicht zu überlaufen, hatte Scally größere Freiheiten in Offensive. Er beteiligte sich rege im hohen Kombinationsspiel und suchte nach Ballverlusten selbst den Weg ins letzte Drittel. So lieferte er trotz Fehler beim Gegentor eine seiner auffälligeren Leistungen für Borussia ab.
Rocco Reitz
Dass Scally auf rechts befreiter nach vorne denken konnte, lag nicht zuletzt an einem Mann: Rocco Reitz ist ein Phänomen und man fragt sich so langsam immer verblüffter, warum er den Boruss*innen so lange vorenthalten wurde.
Reitz sicherte gegen Heidenheim nicht nur die rechte Seite, wenn Scally oder gar Elvedi nach vorne gingen. Er war auch nicht nur Ausputzer im Gegenpressing und solidarisch im Herstellen von Doppelungen. Als zweiter Sechser neben Weigl zeigte er beinahe jede Facette, die für einen zentralen Mittelfeldspieler von Belang ist.
Vielsagend mit Blick auf sein Standing im Team ist die Tatsache, wie häufig Reitz statt Weigl im Aufbau abkippte. Meistens auf die rechte Position in einer Dreierkette mit Elvedi und Wöber rutschend, ermöglichte er Scally so das Hochschieben auf den rechten Flügel und Honorat wiederum das Markieren der Tiefe neben Jordan.
Borussia konnte so bis zu fünf Heidenheimer in letzter Linie binden und im Mittelfeld Gleich- oder Überzahl herstellen.
Blieb Reitz im Aufbau auf seiner Position, suchte er die Nähe zu Nebenmann Weigl. Eine so enge Doppelsechs wird beispielsweise bei De Zerbis Brighton häufig benutzt, um den Gegner zu locken und Räume freizuziehen.
Reitz zeigte nicht nur gutes Gespür für die Situation, sondern auch genügend Selbstvertrauen und Ruhe, um auf den Gegner zuzugehen und ihn zu provozieren. Davon profitierte unter anderem Wöber, für den sich dadurch diagonale Passwege auf die Stürmer Jordan und Plea öffnete.
Schwimmende Mittelstürmer
Jordan und Plea haben gegen Heidenheim gut gespielt, keine Frage. Während Erstgenannter in bekannter Weise Bälle festmachte und verteilte, zeigte sich Lasso spielfreudig und mit Lust am Gestalten.
Die beiden Angreifer versuchten sich immer wieder mit gegenläufigen Bewegungen Räume zu schaffen und der Mannorientierung der Heidenheimer Dreierkette zu entkommen.
Das klappte phasenweise sehr gut und sorgte für viele interessante Lösungen im Aufbauspiel. Es ist jedenfalls nicht selbstverständlich, dass beide Stürmer so aktiv ins Spiel eingebunden sind.
Allerdings muss man feststellen, dass das permanente Ansetzen von Tiefenläufen nicht zur Lieblingsbeschäftigung von Borussias Nummer 13 und 14 gehört. Immer wieder war zu beobachten, dass sich beide Stürmer spontan zum Ball orientierten und eher wie zwei falsche Neuner agierten. Das entspricht zwar ihren Stärken und bringt die Mannschaft vor allem im mittleren Drittel weiter, muss aber auch im Kollektiv kompensiert werden, wenn man dem gegnerischen Tor näherkommen will.
Um es klar zu sagen: Jordan ist ein mitspielender Wandspieler, dem das Tempo fehlt, um den Gegenspieler in Sprintduelle zu verwickeln. Plea ist auch nicht der Schnellste, gehört als Spielgestalter aber sowieso ins Zentrum: Soweit, so bekannt. Wenn Ngoumou dann aber auch noch eher den linken Halbraum als die Grundlinie sucht, fehlt es Borussia ganz entscheidend an Tiefe und Tempo. Symptomatisch die Szene, in der Reitz sich zum Solo entschließt, weil ihm niemand eine tiefe Option bietet.
So ist letztlich auch zu erklären, wieso man das Spiel zwar mehr oder weniger kontrollierte, Heidenheim aber nicht endgültig ins Wanken brachte. Borussias Dominanz war nie durchschlagend, weil die Präsenz im letzten Drittel fehlte und man die Schwächen der eigenen Spieler nicht mannschaftstaktisch auffing.
Fazit: Mehr individuelle als kollektive Fortschritte
Klare individualtaktische Verbesserungen (Verhalten der Außenverteidiger, Entwicklung Reitz, Abstimmung Jordan und Plea) verhalfen Borussia zu drei Punkten. Hier muss die Arbeit des Trainerteams schon seit dem Sommer gelobt werden.
Es bleiben aber Defizite im Hinblick auf das Gesamtkonstrukt. Wie in der letzten Saison gibt es beispielsweise keine mannschaftstaktische Lösung für den Mangel an Tiefe im eigenen Offensivspiel. Die kommenden Wochen werden zeigen, wie es um die Weiterentwicklung der Mannschaft wirklich steht. Das Spiel gegen Heidenheim brachte drei Punkte, viel mehr aber noch nicht.