Der Hamburger SV schlägt den Stadtkonkurrenten FC. Sankt Pauli mit 4:3 und festigt seine Position im Aufstiegsrennen in der zweiten Bundesliga. Warum dieser Sieg glücklich war und warum Pauli dem HSV mehr oder weniger den Sieg schenkte, erklärt euch Marc (@ZonalMarc).
Die Gäste mit klarem Matchplan
Der FCSP hatte einen klaren Matchplan. Im 3-2 Aufbau mit Keeper Vasilj stellte man permanent Überzahl her. Auf den Flügeln bildeten sich zwei Dreiecke, bestehend aus dem Außenstürmer, Stürmer und Außenverteidiger. Der HSV hatte im 4-4-2 somit Schwierigkeiten, das Team von Trainer Fabian Hürzeler zu pressen, da man in direkten 1vs1 Duellen oft zu spät kam.
Aus der Struktur heraus variabel agiert
Die Gäste bildeten am Flügel immer einen Diamanten, um mittels direktem Steil-Klatsch-Steil die Tiefe zu finden. Der HSV kam häufig einen Schritt zu spät, wie im unten stehenden Beispiel anhand von Dompé zu erkennen. Dies gepaart mit dem direkten, vertikalen Passspiel der Gäste machte es dem HSV in der ersten Halbzeit nahezu unmöglich, Zugriff zu bekommen.
Der Matchplan beinhaltete jedoch nicht nur die Überzahl in Linie 1 im Aufbau und den Diamanten samt Direktpassspiel am Flügel, sondern auch die schnelle Verlagerung auf den ballfernen Flügel nach Klatschaktion vom ballnahen Stürmer. Im unteren Bild sieht man, wie der HSV zunächst im gegnerischen 6er Raum, dann am Flügel und anschließend vor der eigenen Kette – trotz personeller Überzahl – keinen Zugriff bekommt und schließlich die Verlagerung schlucken muss.
Dass der HSV in der Szene noch nicht in Rückstand gerät, gleicht einem Wunder. Die zwischenzeitliche Führung für St. Pauli war jedoch mehr als verdient.
Die Baustellen der Gastgeber in der 1. Halbzeit
Neben der eben bereits erwähnten Schläfrigkeit im Anlaufen, hatte der HSV auch im eigenen Ballbesitz ungewohnte Schwächen. Heuer Fernandes wurde gepresst und ließ sich auf die eigene linke Seite lenken. In diesen Zonen wollte Sankt Pauli zuschnappen und schaffte dies zunehmend häufiger. Schonlau und David waren zu häufig darauf bedacht, einzuschieben, statt breit zu öffnen. So fand man kaum in das eigene Positionsspiel.
Sofern der HSV nicht rund um den eigenen Strafraum im Ballbesitz war, wurde er jedoch zunehmend mutiger und bespielte durch das gewohnte, mutige Vorschieben der Innenverteidiger den Deckungsschatten am Flügel der anlaufenden Gäste. Auf den Außenbahnen sollten dann 1vs1 Duelle gesucht werden, die Dompé und Jatta jedoch zu selten erfolgreich für sich gestalten konnten.
Auch tiefe Laufwege hinter die Kette konnten die Rothosen zu selten kreieren. So gab es das Muster – dass in der nächsten Abbildung zu sehen ist – welches zur Torchance von Kittel führt, wo der HSV direkt die Tiefe sucht, zu wenig. Stattdessen verlor man häufig den Ball in der Vorwärtsbewegung und gab den Gästen somit Rückenwind.
Auch gegen den Ball zu wenig Spannung
Wie bereits bei den Mustern der Paulianer erwähnt, fehlte den Gastgebern gegen den Ball die Spannung und teils die Ordnung. So schaffte man es kaum Zugriff auf den ballführenden Spieler zu bekommen und lief somit viel hinterher.
Diese Nachlässigkeiten sorgten dann für gute Situationen auf Seiten der Gäste, da der HSV gewohnt mutig in eigener letzter Linie stand. Dies wurde jedoch durch die zeitweise nahezu lethargische Pressingart zum Boomerang und flog den Hamburgern um die Ohren. So dann auch beim zwischenzeitlichen 0:1 durch Saliakas.
Doch St. Pauli holt den HSV zurück
Mit der Führung im Rücken agierten die Gäste kompakter und verloren in zwei Situationen jeweils kurz den Druck auf den Ball, was der HSV an diesem Tag eiskalt bestrafte. In Minute 44´ war es David, der frei zum Schuss kam und einen Sonntagsschuss am Freitagabend auspackte.
Kurz nach dem Wiederanpfiff verlor man kurzzeitig den Zugriff am Flügel und musste durch Bakery Jatta am zweiten Pfosten nach der Halbfeldflanke den Rückstand hinnehmen. Eine eigentlich ungefährliche Situation wird dadurch gefährlich, dass Pauli zu tief und passiv steht und dann am zweiten Pfosten in Person von Paqarada zu passiv agiert, wodurch Jatta den HSV in Führung bringt.
Mit der Führung im Rücken mutiger agiert
Die 2:1 Führung brachte den sonst so bewundernswerten Mut der Hausherren zurück. Im Aufbau reagierte man auf Paulis Anlaufverhalten aus der 1. Halbzeit mit dem Entgegenkommen des Flügelspielers – als Wandspieler, der Klatschoption im Zentrum und der tiefen Besetzung zwischen den Ketten im Anschluss.
Das, in der ersten Hälfte, zu selten gesehene Anschlussverhalten nach dem tief-gespielten Ball, brachte der HSV nun zunehmend mehr ein und bekam die Gäste somit ins Zweifeln. Mit dem zwischenzeitlichen Treffer, zum 3:1, wirkte es wie eine Vorentscheidung.
Doch auch Hamburg holt Pauli zurück ins Spiel
3:1 vorne und noch 20 Minuten zu spielen, es hätte ein entspannter Heimsieg werden können, auch wenn es zeitweise nicht danach aussah. Die Gäste hatten in Folge der beiden Gegentreffer Schwierigkeiten, ihr direktes Spiel aus der ersten Halbzeit wieder aufzuziehen und verloren ihrerseits zu viele Bälle in der Vorwärtsbeweung. Und somit sah alles nach einem Dreier für die Rothosen aus. Doch erneut war der HSV zunächst zu passiv und dann zu gierig aus der Passivität heraus.
Beim zweiten Gegentor der Gastgeber, ist der Ball zunächst umkämpft im Halbfeld. Hamburg bekommt kaum Zugriff. Anschließend versucht man im 4vs1 vorzuchecken und gibt die Tiefe komplett auf. Schonlau steht dabei in der Positionierung zu tief und hebt das Abseits im Rücken von Heyer auf.
Die Abstimmung gepaart mit der zuvor gezeigten Passivität im Zentrum, wodurch Pauli den tiefen Ball überhaupt unbedrängt spielen kann, ist dann die perfekte Voraussetzung für den erneuten Anschlusstreffer der Gäste.
Somit bleibt es bis zum Schluss spannend
Dass der HSV auch nach seiner erneuten Zwei-Tore-Führung in der 78. Minute nicht in Ruhe mit dem Heimsieg planen kann, passt ins Bild des HSV an diesem Freitagabend.
Der direkte Anschlusstreffer durch Jackson Irvine reicht den Gästen nicht, um nochmal wirklich ernsthaft für Gefahr zu sorgen.
Fazit: Der HSV gewinnt glücklich, weil …
… man in der ersten Halbzeit zu passiv war und der Matchplan von Hürzeler griff. Die Mannschaft von Tim Walter zeigte jedoch mit der Führung im Rücken zunehmend mehr Selbstvertrauen und verdiente sich die zwischenzeitlichen Führungen, wenn auch die Torausbeute mehr als schmeichelhaft war, gemessen an den Großchancen.
Dass bei einem Spiel mit 1,05 xGoals für den HSV und 1,38 xGoals (Quelle: bundesliga.de) am Ende sieben Tore fallen, mag dem neutralen Zuschauer gefallen, für die Fanlager muss dies aber recht anstrengend gewesen sein. Fakt ist, Pauli steht nicht zu unrecht dort oben, da sie gerade im Ballbesitz sehr guten Fußball spielen. Der HSV gewinnt neuerdings auch diese Spiele, bei diesen man das vermeintlich schwächere Team ist. Folgerichtig befindet sich der HSV also auf Kurs Aufstieg!