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Marco Reus’ schwindender Einfluss, Ludovic Ajorques Impact und Leverkusens wegweisende Woche – 3 Beobachtungen zum 28. Spieltag

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Der 28. Spieltag der Bundesliga wartete mit ganzen 6 Unentschieden auf.

Sowohl der FC Bayern als auch der BVB kamen nicht über ein Remis hinaus, womit die Meisterschaft weiter spannend bleibt.

Darüber hinaus gewann Schalke die Mutter aller 6-Punkte-Spiele gegen die Hertha und zeigt, dass im Abstiegskampf noch nichts entschieden ist.

Mainz und Leverkusen weiten ihre Ungeschlagen-Serien auf 9 beziehungsweise 11 Spiele aus und untermauern ihre Europa-Aspirationen.

Hier sind 3 Beobachtungen zum 28. Spieltag von Dominic.

1 – Marco Reus ist beim BVB nicht mehr unantastbar

Eine Aussage, die in den letzten zwölf Jahren als schier unvorstellbar galt, ist mittlerweile Realität geworden.

Nach einem schwachen Auftritt beim 2:4 in München ließ Edin Terzić, der als großer Reus-Fan gilt, seinen Kapitän gegen Stuttgart, wie schon gegen Union, auf der Bank.

Der Dortmund-Coach scheint sich für den Saisonendspurt festgelegt zu haben: Auf den Außen werden die Tiefenläufer Karim Adeyemi und Donyell Malen bevorzugt, im Mittelfeld wird auf Bellingham und Brandt gesetzt.

Dass der Spieler, der über ein Jahrzehnt stets der erste Name auf dem Spielberichtsbogen des BVB war, mittlerweile nicht mehr zur besten Elf gehört, hat mehrere Gründe, nicht zuletzt das Alter.

Terzić hat das System, das vor der WM noch eher ein 4-2-3-1 war, zur Rückrunde erfolgreich (2,46 Punkte pro Spiel vs. 1,67 in der Hinrunde) zu einem 4-3-3 / 4-1-4-1 umgestellt, mit Emre Can als alleinigen Sechser. Für Reus bleiben also nur noch die Flügel (hauptsächlich Links) oder die Achter-Positionen.

Für den Flügel fehlt es dem in einem Monat 34-jährigen Reus dieser Tage schlicht an Dynamik, zumal er den Drang hat, in die Mitte zu ziehen.

Reus (32,02 km/h) fehlt es im Vergleich zu Adeyemi (36,65 km/h / diese Saison der schnellste Spieler der Liga) und Malen (35,14 km/h / Tor und Vorlage gegen Stuttgart) zu sehr an Antritt und Endgeschwindigkeit, um das Feld vertikal und horizontal in die Länge zu ziehen. Vor allem die Spiele gegen Chelsea und Bayern haben eindrucksvoll gezeigt, dass Reus dieser Tage, wenn er vom Flügel kommt, in Top-Spielen kaum Einfluss auf das Spiel nehmen kann.

Deshalb fühlt sich Reus auf der Acht oder der Zehn am wohlsten.

Auf einer der Achter-Positionen ist Bellingham gesetzt, an dessen All-Action-Spielstil (unter anderem gewann er die meisten Zweikämpfe der ganzen Liga) Reus allein physisch schon nicht heranreicht.

Auf der anderen Acht hat Brandt, der als Dortmunds Spieler der Saison gesehen werden kann, klar die Nase vorn.

Im Vergleich zu Reus kreiert Brandt, der vor wenigen Tagen – noch vor Reus – seinen Vertrag verlängerte, mehr als doppelt so viele Chancen pro Spiel (2,6 vs. 1,2), geht fast zweimal so häufig in Dribbling (3,2 vs. 1,7) und spielt fast doppelt so viele progressive Pässe pro Spiel (4,35 vs. 2,41).

Der schwache Auftritt von Reus nach seiner Einwechslung gegen Stuttgart, in dem er gegen eine Mannschaft in Unterzahl keine Chance kreierte, nur einen seiner fünf Zweikämpfe gewann und zudem durchs nicht-Anlaufen seines Gegenspielers und stehenbleiben den Ausgleich in der 97. Minute zuließ, wird wohl auch die Dortmunder Verantwortlichen ins Grübeln gebracht haben, wie weit man sich für eine Verlängerung mit seiner Galionsfigur strecken kann und will.

Stuttgart gegen Dortmund. Fehler von Marco Reus

(Reus lässt erst Mavropanos und Anton gewähren, läuft dann nicht mit zurück und läutet damit die Fehlerkette ein, die zum 2:2 führt.)

2 – Mit Ludovic Ajorque nach Europa?

Als Mainz zur Halbserie sechs Spiele am Stück nicht gewann und nur vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz hatte, hätte niemand auch nur gewagt, von Europa zu träumen.

Elf Spieltage später sind die Nullfünfer plötzlich punktgleich mit Platz 7, der je nach Verlauf des DFB-Pokals eine Teilnahme am europäischen Geschäft bedeuten könnte.

In diesen elf Spielen holten schließlich nur der BVB und der FC Bayern mehr Punkte.

Großen Anteil an dieser Trendwende (9 Spiele ungeschlagen) hat vor allem die gute Wintertransferphase, die gezielt Schwächen im Kader adressierte und den Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft belebte.

Innenverteidiger Andreas Hanche-Olsen wurde direkt zum Stammspieler und erwies sich als knochenharter Zweikämpfer als die perfekte Ergänzung zum technisch starken Aufbauspieler Edimilson Fernandes und dem Routinier Stefan Bell, der viele Situationen über sein Stellungsspiel und seine Antizipation löst.

Im Sturm wurde für kolportierte 6 Millionen Euro mit dem Franzosen Ludovic Ajorque nachgebessert.

Auf den ersten Blick eine ziemlich stolze Summe, hatte Ajorque nur 1 Saisontor in der Ligue 1 erzielt. Im Kalenderjahr 2022 waren es gar nur 3.

Als der Franzose zudem in seinen ersten sechs Spielen für Mainz komplett ohne Torbeteiligung blieb, waren viele schon drauf und dran, ihn als Flop zu bezeichnen.

Trotz der fehlenden Tore war der 1,96 Meter Hüne unter Trainer Bo Svensson aber auf Anhieb gesetzt und unantastbar.

Das liegt vor allem daran, dass er für das Spiel der Mainzer elementar wichtig ist.

Er ist unfassbar stark im Anlaufen, weiß als Wandspieler seine Statur perfekt einzusetzen, lässt Bälle gut klatschen und bindet oft mehrere Gegenspieler, um Räume für seine Mitspieler zu öffnen.

Alles in allem eine perfekte Ergänzung zum Mainzer Angriff, der zuvor zum großen Teil aus Umschaltspielern bestand.

Durch seine Größe kann man ihn Ajorque in allen Lagen anspielen. Vor allem mit langen, hohen Bällen wird der 29-Jährige oft gesucht. In der Bundesliga bestreitet nur der Unioner Kevin Behrens mehr Kopfballduelle pro Spiel als Ajorque (13.9), der zudem über 50% dieser Duelle für sich entscheidet.

Auch gegen Köln war dies wieder deutlich. Der Franzose führte die meisten Kopfballduelle (13) des Spiels und ging regelmäßig mit den Kölner Innenverteidigern Hübers und Chabot ins Duell.

Da Ajorque zudem das Toreschießen für sich wiederentdeckt hat, gegen Köln erzielte er sein fünftes Tor in den letzten sieben Spielen (nur der Schalker Marius Bülter hat mit 6 in diesem Zeitraum mehr erzielt), kann Mainz von der ersten Europa-Teilnahme seit sechs Jahren träumen.

Koeln gegen Mainz. Ajorque als Wandspieler

(Ajorque, als Wandspieler agierend, erhält den Ball von Widmer, setzt seinen Körper ein und lässt diesen zu Stach klatschen, um einen Angriff einzuleiten.)

3 – Xabi Alonso und Leverkusen – Die Wegweisende Woche

Ein 19:30 Uhr Sonntagsspiel zwischen zwei Werksvereinen, in einem zu nur knapp zwei Dritteln ausgelasteten Stadion, das zudem noch 0:0 ausgehen, ist nicht gerade Werbung für die Bundesliga.

Trotzdem könnte sich dieses Unentschieden, nach zuletzt sechs Siegen am Stück in der Liga, gegen einen direkten Kontrahenten im Kampf um Europa, als enorm wichtig für Xabi Alonso und seine Mannschaft erweisen.

Denn dieses Spiel leitet die wohl wegweisendste Woche unter dem Bayerkreuz seit langem ein.

Alonso sagte nachher bei der Pressekonferenz: „Wenn du ein Spiel nicht gewinnen kannst, darfst du es nicht verlieren.”

Frei nach diesem Motto und mit dem Europa League Rückspiel gegen Royal Union Saint-Gilloise am Donnerstag, und dem Bundesligaspiel gegen Leipzig am Sonntag im Hinterkopf, rotierte Alonso dementsprechend auf einigen Positionen.

Florian Wirtz, Exequiel Palacios, Jonathan Tah, Patrik Schick und Amine Adli waren allesamt auf der Bank oder verletzt gar nicht erst im Kader.

Wie so oft konnte sich Alonso auch gegen Wolfsburg, trotz vielschichtiger Rotation, wieder auf seine Defensive verlassen (nur 0,62 Expected Goals zugelassen).

Denn seit seinem Amtsantritt hat Leverkusen die viertbeste Abwehr der Liga (25 Gegentore in 20 Spielen). Laut Expected Goals Against hat die Mannschaft unter Alonso sogar die zweitbeste Abwehr der Liga (23,09 xGA / 1,15 xGA pro Spiel).

Unter Gerardo Seoane hatte man zu Saisonbeginn noch die drittschlechteste Abwehr der Liga (16 Gegentore in 8 Spielen / 14,92 xGA / 1,87 xGA pro Spiel).

Sahen Spieler wie Tah, Tapsoba, Kossounou und Co. unter Seoane oft noch überfordert in einer 4er Kette aus, so stabilisierte Alonso seine Defensive im 3-4-3 soweit, dass sogar Robert Andrich, wie gegen Wolfsburg, problemlos als Innenverteidiger agieren kann.

Generell hat Alonso eine taktische Ausrichtung gefunden, die die Stärken der Mannschaft perfekt zum Vorschein bringt.

Dadurch, dass die Defensive stabil steht, lässt Alonso nämlich kaum pressen. 

Laut PPDA lässt in der Bundesliga nur Union Berlin (16.4) weniger aggressiv pressen als Leverkusen (15.2). Passes per Defensive Action ist eine Metrik, die die Pressing Intensität eines Teams misst: Je niedriger der Wert, desto intensiver ist das Pressing.

Vielmehr lässt Alonso Angriffe zu, in denen der Gegner möglichst viele Spieler involviert, um dann nach Ballgewinn über die schnellen Spieler, allen voran Moussa Diaby (36,52 km/h drittschnellster Spieler der Liga) und Jeremie Frimpong (36 km/h / sechstschnellster Spieler der Liga), umzuschalten.

So kommt es, dass Leverkusen die zweitmeisten Direct Attacks (69) der ganzen Liga hat. Gegen Wolfsburg alleine waren es ganze 4 Direct Attacks.

Als Direct Attack wird ein Spielzug definiert, der in der eigenen Hälfte startet, zu mindestens 50% in Richtung des gegnerischen Tores führt und im gegnerischen 16er oder mit einem Schuss endet.

Da Spieler wie Frimpong (8 Tore + 6 Vorlagen) und Diaby (9 Tore + 6 Vorlagen) für dieses Umschaltspiel prädestiniert sind und von Wirtz (3.1 kreierte Chancen pro 90 Minuten / die zweitmeisten der Liga) perfekt in Szene gesetzt werden, hat Leverkusen aus dem Spiel heraus mittlerweile die drittmeisten Schüsse (291), Expected Goals (35,64) und Tore (41) der ganzen Liga.

Insgesamt hat Alonso eine sowohl offensiv als auch defensiv sehr komplette und gefestigte Mannschaft geformt (nach Expected Points ist Leverkusen unter Alonso sogar die drittbeste Mannschaft der Liga). Und das alles ohne den verletzten Top-Torjäger der letzten Saison, Patrik Schick.

Durch die phänomenale Entwicklung unter Alonso hat sich Leverkusen in eine Ausgangslage gebracht, die viele am Anfang des Jahres nicht für möglich gehalten hätten.

Sollte Leverkusen, als mittlerweile einziger deutscher Vertreter mit realistischen Chancen auf das Weiterkommen in Europa, das Rückspiel gegen Saint-Gilloise gewinnen, stünden sie im Halbfinale der Europa League und können von dem ersten Titel seit genau 30 Jahren träumen.

Drei Tage später wartet mit Leipzig ein direkter Konkurrent um die Internationalen Plätze. Eine Woche später geht es in Berlin gegen Union, einen weiteren direkten Konkurrenten um die Internationalen Plätze.

Allesamt enorm wichtige Spiele, möchte man nächste Saison wieder europäisch spielen und die Saison doch noch zu einer erfolgreichen zu machen.

Wolfsburg gegen Leverkusen. Angriff über Wirtz, Diaby und Frimpong

(Ein exemplarischer Angriff von Bayer Leverkusen. Wirtz legt ab für Diaby, dieser nimmt Tempo auf, währenddessen sucht Frimpong bereits die Tiefe.)

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