StartAnalysenBorussias finaler Test: Was hat sich (nicht?) geändert?

Borussias finaler Test: Was hat sich (nicht?) geändert?

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Die Borussia beendet die Saisonvorbereitung 24/25 mit sechs Spielen, die allesamt gewonnen werden konnten. Am gestrigen Samstag konnte sich die Fohlenelf gleich zwei Mal gegen den französischen Erstligisten messen. Während das erste Spiel unter Auschluss der Öffentlichkeit 2:0 gewonnen wurde, durfte die vermeintliche (?) Startelf in der offiziellen Saisoneröffnung nochmal zeigen, dass sie die richtigen Elf Spieler sind, um im Pokal, sowie in der Liga starten zu dürfen.
Der finale Sieg der Fohlen (1:0) wird hier als Anlass genommen, um eine kleine strategische und taktische Analyse von @DenizGuelr vorzunehmen.
Detailliert und tief wird die Analyse heute Abend (Sonntag, 11.08.24) im Livestream auf YouTube um 20 Uhr sein, wenn wir die Saisonvorbereitung auseinander nehmen und mögliche Kaderbaustellen thematisieren.

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Was hat sich also geändert?

Die Fohlen haben in Person von Cheftrainer Gerardo Seoane und auch Geschäftsführer Sport, Roland Virkus öffentlich bereits kundgetan, was sich vor allem in der Spielweise ändern soll:
Eine höhere Aktivität gegen den Ball.
Dafür hat Roland Virkus mit Tim Kleindienst, Kevin Stöger und Philipp Sander drei Spieler verpflichtet, die für ein höheres, sowie aggressiveres Pressing geeignet sind.
In allen Testspielen wurde unter Beweis gestellt, wie ernst es die Borussia damit meint.
Im gestrigen Finaltest konnte man abschließend sehen, wie die Fohlen den Gegner unter Druck setzen wollen.

Borussia presst mannorientiert

Seoane hat mit der Umstellung auf eine 4er-Kette gegen den Ball die erste Entscheidung früh in der Vorbereitung getroffen. Auf dem Papier startet die Elf im 4-2-3-1, welche aber durch die Mannorientierungen im Pressing gegen die Positionierungen des Gegners zu einer anderen Staffelung führen.
Straßburg baute im 3-2-4-1 auf. Das stellte Gladbach im 4-2-3-1 vor gewisse Aufgaben:

  • Wer stellt den zweiten Sechser des Gegners zu?
  • Wer übernimmt die Halbraum-10er (Fünf Spieler in Straßburgs Angriffslinie vs vier in Gladbachs Abwehrkette) und
  • Wer füllt die Abwehrkette, um die Unterzahl auszugleichen?

Gladbach entschied sich dafür, dass neben Zehner Plea, ein zweiter Sechser rausschieben sollte, was meist Philipp Sander war. So konnten beide in eine einfache Manndeckung übergehen. Der andere Sechser, Weigl, konnte dann absichern.
Elvedi oder Itakura, je nach Ballseite, schoben dann auf den Halbraumzehner des Gegners raus. Ganz vorne gingen die Flügelspieler, Ngoumou und Honorat, zusammen mit Stürmer Kleindienst in eine 1vs1-Zuteilung gegen die 3er-Kette des Gegners über.

Insbesondere Tim Kleindienst ist mit allem, was er reinwirft, prädestiniert dafür, seinen Gegenspieler anzulaufen. Typisch für ein aktives Pressing ist, dass auch Gladbach versucht, den Gegner frühzeitig zu lenken. Dazu versucht man, durch ein gewisses Timing und verschiedene Pressingwinkel, den Gegenspieler so anzulaufen, dass dieser nur noch eine Entscheidung „übrig“ hat.
Auf die Flügel gelenkt, ist der Gegner durch die Raumverknappung (Seitenlinie hilft) einfacher zu pressen. Im Mittelfeldzentrum besteht die Mannorientierung weiterhin (Plea, Weigl und Sander). Auf den Flügeln pressen jeweils der Flügelspieler und Außenverteidiger durch, sodass im unteren Beispiel Ngoumou und Netz nach Anspiel auf den Flügel ihren Pressingauslöser haben.
Um eine Unterzahl zu verhindern schiebt die Abwehrkette auf Ballseite durch. Um im konkreten Beispiel zu bleiben:
Joe Scally fällt in der Positionshöhe (vertikale Achse) und bewegt sich zudem auf der horizontalen Achse zur Ballseite hin. So können Itakura (Absicherung im Zentrum) und Elvedi (Mannorientierung zum Gegenspieler) Zugriff + Überzahl gleichzeitig schaffen.

Runtergebrochen könnte man auch formulieren: Die Fohlen versuchen im Trapez die Kompaktheit zu bestimmen, in dem die Außenverteidiger (die Spieler, die auf der horizontalen Achse diejenigen sind, die die weiteste Entfernung zueinander haben) einrücken und bewusst Räume für den Gegner auf dem Flügel zulassen. Und im Zentrum ist dann alles, was sich bewegt, quasi in Manndeckung.

Welche Spieler blühen auf, und welche haben Probleme?

Natürlich gibt es für jede Spielweise Vor- und Nachteile. So gibt es auch Spieler, denen bestimmte Dinge auf dem Feld besser gelingen, als manch anderen. Tim Kleindienst, wie bereits erwähnt, ist mit seiner Nachgiebigkeit und Intensität physisch und athletisch dafür bestimmt. Zudem erkennt er, wann und wie anzulaufen ist und coacht dabei aktiv seine Mitspieler. Dass er mit seiner Art Mitspieler überzeugt und mitzieht, konnte man im gestrigen Spiel gut beobachten:
Bei einem zweiten Ball, der nach Omlins langem Ball entstand, ging Kleindienst sofort ins Gegenpressing, was Plea (!) dazu animierte, ebenfalls Druck auszuüben. Tatsächlich gelang eine temporäre Überzahl gegen den ballführenden Gegenspieler im Zentrum, sodass Plea den Ballgewinn im direkten Zweikampf gelang.
Es sind meist Kleinigkeiten, die für Impulse sorgen können.

Philipp Sander ist zudem ein Achter, der sich im Seoane System gerne dafür zuständig fühlt, vorne in zweiter Pressinglinie die Zweikämpfe zu führen, die der Gegner zwangsläufig eingehen muss, wenn Teams, wie Gladbach, in kompletter Manndeckungsschemata agieren.
Auch Sander erfüllt die physischen und vor allem athletischen Bedingungen, die eine solche Spielweise mit sich bringt.
Zudem ist er mit Ball eine gewisser Ruhepool (der zwar gestern dahingehend 3-4 kleine bis grobe Fehlpässe in seinem Spiel hatte), der durch seine Übersicht schnell versteht, ob ein schneller Angriff Sinn machen kann, oder eben nicht. Nico Elvedi schafft es derweil sehr gut, die aggressive Spielweise mitzugehen. Er fühlte sich in seinen Einsätzen wohl, als er den Part in der Innenverteidiung übernahm, der dafür zuständig war, vorwärts rauszuschieben und in direkte Zweikämpfe zu gehen. Nico Elvedi ist in allen Gesichtspunkten definitiv solide. Er ist nicht perfekt für diese Spielweise ausgebildet, gleichzeitig ist er komplett genug, um in diesem System ohne Schwächung mitgehen zu können.

Gleichzeitig übernimmt Ko Itakura den absichernden Part, wenn sein Innenverteidiger-Kollege rausschiebt. Diese Rolle passt ihm. Dennoch erfordert die aggressive neue Spielweise auch von ihm, den Moment zu erkennen, auf seiner Ballseite durchzuschieben. So gab es Szenen, in denen es der 27-Jährige verpasste, eben dies zu tun, sodass Sechser Sander oft fallen musste, um Itakuras eigentlichen Gegenspieler zu übernehmen. Als Folge dessen ergaben sich dann in Gladbach 10er-Räumen Löcher, die der Gegner 2-3 Mal im Spiel nutzen konnte. So auch Alassane Plea, der vermutlich mit Julian Weigl zusammen, aktuell die jenigen sind, die mit dieser Spielweise athletisch und pyhsisch zu kämpfen haben. Manndeckungschemata erfordern immer viel Power, Energie und Kraft – und all das auf Strecke. Beide sind bemüht, doch während der eine (Weigl) mit eben diesen Anforderungen in seinem Spiel zu kämpfen hat, ist der andere (Plea) etwas schwerfälliger, wenn es um die Aufnahme von Bewegungen des Gegners geht. 1vs1-Zuteilungen sind dahingehend von Nachteil, dass sie nach Fehlern bestraft werden, in dem sie sehr schnell in Unterzahl geraten, bei immer größer werdenden Räumen.

Was hat sich weiterhin nicht verändert?

Weder strategisch noch großartig taktisch hat sich die Mannschaft mit Ball verändert. Die Borussia versucht unter Seoane weiterhin schnellstmöglich den Weg nach vorne zu suchen. Auch im gestrigen Finaltest befanden sich die meisten Ballbesitzphasen im eigenen Drittel. Bereits in der vergangenen Saison war man die Mannschaft mit den wenigsten Ballaktionen im letzten und mit den meisten im eigenen Drittel (Quelle: whoscored.com). Seoane versucht mit seiner Mannschaft den Gegner früh ins Pressing zu locken, um anschließend mittels langen Bällen (also mit so wenig Pässen wie möglich) den vorderen Block rund um Kleindienst, Ngoumou und Honorat zu finden. So ist die Grundidee, Honorats und Ngoumous Tempo ab Höhe Mittellinie einzusetzen, während man viele Gegenspieler bereits rausgezogen hat. So entstehen nach den langen Bällen von Omlin, oder der Abwehrspieler, 3vs3 oder 4vs4 Duelle in diesen Zonen.

Auch in diesen Themen spielt Neuzugang Kleindienst eine wichtige Rolle. Mit seiner Körperlichkeit und Spielintelligenz, soll er die Positionierung finden, um als Abnehmer dieser langen Bälle (vor allem die flachen Pässe) zu dienen. Das Ziel ist, dass Kleindienst mit wenigen (am besten mit dem ersten) Kontakten eine progressive Passoption bespielen kann.

Prinzipiell sind das spannende Themen, die auch in letzter Saison bereits mit Jordan Siebatcheu funktioniert haben. Das Problem daran ist, dass die Spieler in vorderster Linie dennoch viel Freifeld überbrücken müssen, was selbst den schnellsten Spielern (schließlich müssen sie im höchsten Tempo, mit Ball am Fuß, saubere Pass- oder Schussentscheidungen treffen und ausführen) schwerfällt.
Es gab eine Situation im gestrigen Spiel, die sicherlich in der Staffelung zufällig entstand, aber zeigt, was möglich ist, wenn die Fohlen eine höhere Position (auf der vertikalen Achse) findet, um ihr Spiel erst in Ruhe, dann mit Tempo aufzubauen:
Weigl fand Plea in den Zwischenlinien und konnte durch seine tiefe und seitliche Positionierung die Passoption im Zentrum zu Kleindienst finden, der Ngoumou im ersten Kontakt einsetzen konnte.
Ich denke, dass diese Spielmuster von Bedeutung sind, um die Spieler häufiger in bessere Situationen vorzufinden.
Denn die aktuelle Spielweise erfordert schnellste und perfekte technische Ausführungen – in wenigen Kontakten, um ca. 100m Feldfläche vertikal zu überbrücken.

Kleines Fazit: Was dürfen wir erwarten?

Um diese Frage vorab zu beantworten: Keine Ahnung!
Es ist schwer vorherzusehen, inwiefern die neue Spielweise gegen den Ball in Verbindung neuer Stammspieler, diese Borussia weiterentwickelt.
Es besteht durchaus die Chance, dass man die gegnerischen Angriffsaktionen in unserem eigenen Drittel reduzieren kann. Gleichzeitig erhöht sich das Risiko ausgekontert zu werden.
Fernab dessen, dass es sich zum heutigen Zeitpunkt schwer voraussagen lässt, auf welchem Stand sich die Mannschaft gegen Ende der Saison physisch und athletisch befindet.

Ein kleiner Vergleich zu einem anderen Trainer und dessen Spielweise lässt sich meiner Meinung nach ziehen:
Andre Schubert und dessen Borussia 2015 bis 2016 – in allen Variatonen:
Losgelöst von strengen und detaillierten taktischen Anweisungen im System der Raumorientierung von Favre hin zu Schubertschen Manndeckungsschemata, die alles wegpresste und mit Ball magische Kombinationen in wenigen Kontakten durchspielte, hin zu völligem Chaos und Verwirrung gegen Ende seiner Amtszeit.
Mal sehen, wo sich Gerardo Seoane da einordnet.

Heute im YouTube-Stream um 20:00 Uhr mehr! Schaltet ein.

Eine Analyse von @DenizGuelr.

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