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Borussia, was ist dein Plan? Wo willst du hin ?

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Die Euphorie ließ sich nicht leugnen, als am 06.06.2023 Gerardo Seoane als neuer Cheftrainer der Borussia präsentiert wurde. Von einem echten “Coup” war die Rede, die Borussia habe einen Trainer verpflichtet, welcher “eigentlich ein Regal zu hoch” schien.

Zusammen mit Gerardo Seoane wurde auch Nils Schmadtke als neuer Sportdirektor vorgestellt. Schmadtkes Aufgabe sollte es sein Roland Virkus vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit zu entlasten und nah an der Mannschaft zu arbeiten. 

Nun liegt die erste Saison der Kombination Gerardo Seoane + Roland Virkus hinter uns.

Zu sagen, dass wir als Fans der Borussia Ernüchterung erfahren haben, wäre wohl noch äußerst milde ausgedrückt.

Unterm Strich stehen am Ende 7 Siege aus 34 Ligaspielen, 67 Gegentore (1,97 pro Spiel), 34 Punkte (1,0 Pro Spiel) und ein 14.Tabellenplatz mit einem einzigen Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz.

Noch dazu hat man es auch in dieser Saison nicht geschafft, über den Pokal ein versöhnliches Ergebnis zu erzielen. Hier endete die Reise im Viertelfinale mit einer ideenlosen, unkreativen 1:2 Niederlage beim Drittligisten aus Saarbrücken. Dass zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, dass der weitere Weg über einen Zweitligisten ins Pokalfinale führen könnte, macht das Ausscheiden nochmals schmerzlicher. 

Neben den reinen Ergebnissen lässt sich vor allem eines feststellen: der Borussia, insbesondere dem Trainerteam um Gerardo Seoane, ist es über die gesamte Saison nicht gelungen, eine Spielphilosophie, ein funktionierendes Grundkonzept zu entwickeln. Ob 3-5-2, 5-4-1, 5-3-2, 4-3-3, 4-1-4-1, 4-2-2, kein System funktionierte. Es zeigten sich allerhöchstens rudimentäre Abläufe, viel zu oft schien es beim Zuschauen so, als wüssten die Spieler im Ballbesitz überhaupt nicht, was zu tun sei. 

Borussia wollte den sehr ballbesitzlastigen Fußball aus der Vorsaison wieder etwas mehr in Richtung schnelles Umschalten mit direktem vertikalen Spiel verlagern. Doch gerade in diesen Momenten fiel sehr häufig auf, dass es über die gesamte Saison hinweg an einer Grundstruktur fehlte. 

Viel zu viele vielversprechende Umschaltsituationen endeten darin, dass einzelne Spieler völlig allein gelassen da standen, da es den Mitspielern nur selten gelang nachzurücken. Besonders im letzten Drittel des Spielfeldes fehlte es der Fohlenelf oft an Kreativität und dem nötigen Anschluss zwischen Mittelfeld und Angriff. Dass der Borussia dennoch 56 Tore gelangen, lag zum Teil auch daran, dass es dem Team zumindest zu Beginn der Saison gelang, in puncto Standards eine echte Gefahr zu werden. 

Auf der anderen Seite des Feldes steht am Ende der Saison die drittschlechteste Defensive der Liga. 67 Gegentore wurden nur vom VfL Bochum (74) und dem Tabellenschlusslicht Darmstadt (86) überboten. Auch hier mangelte es an einer mannschaftstaktischen Lösung. Gegen Ende der Saison, nachdem man öffentlich kommunizierte, den Fokus auf die Defensive zu legen, wirkte es beinahe so, als bestünde der Plan darin, möglichst viele Defensivspieler vor das eigene Tor zu bringen. Dass daraus nicht zwingend weniger Gegentore resultieren, zeigte sich deutlich in Hoffenheim und am letzten Spieltag in Stuttgart, in beiden Spielen kassierte man je 4 Gegentore.

Auf Seiten des Managements fiel einer vor allem dadurch auf, dass er nicht auffiel. 

Nils Schmadtke, der Roland Virkus ja in der Öffentlichkeitsarbeit entlasten sollte, fand in eben jener überhaupt nicht statt. Schnell machte in Fankreisen der Witz über das “Phantom der Borussia” die Runde, Beiträge mit Nils Schmadtke auf den Social Media Profilen der Borussia wurden von Fans mit spöttischen Kommentaren wie “wer ist dieser Mann” bedacht. Es stellte sich vor allem die Frage ‚Worin bestehen die Aufgaben von Nils Schmadtke’ ? Das öffentliche Auftreten bzw. dessen nicht stattfinden, passte nicht zu den zu Beginn der Saison kommunizierten Aufgaben. Zwischenzeitlich machten sogar Gerüchte die Runde, Schmadtke stünde nach nur einer Saison bereits wieder vor einem Abgang. Erst daraufhin konkretisierte Nils Schmadtke selbst seinen Aufgabenbereich in einem Interview mit der ‘BILD’: “ Ich arbeite eng mit dem Trainer zusammen, eng an der Mannschaft. Ich spreche viel mit ihnen, um die Stimmungen und die Strömungen in und um die Mannschaft mitzubekommen. Und gemeinsam mit Roland Virkus, Steffen Korell und Mario Vossen besprechen wir momentan intensiv die Kaderplanung für die neue Saison.”

Kommen wir also zu Roland Virkus, dem Architekten des Umbruchs und des ominösen und viel zitierten “Borussia-Weges”.

Niemand wird Roland Virkus absprechen, dass dieser ein sehr schweres Erbe angetreten ist. Es mag auch sein, dass Roland Virkus für die erste Zeit nach Max Eberl die richtige Personalie war, um die gröbsten Wogen zu glätten und wieder mehr Klarheit in die Kader- und vor allem Vertragsstruktur zu bringen.  

Roland Virkus hat sich zum dritten Mal in seiner Zeit als sportlich Verantwortlicher dazu entschieden, vor der Saison einen Kurswechsel in der Spielphilosophie einzuleiten. Von Hütters maximalem Pressingansatz, zu Farkes radikal konträren Ballbesitzfußball und wieder weiter zu Seoanes schnellem Vertikalspiel. Leider bekommt man den Eindruck, dass der Kader jeweils nicht an die neuen Spielansätze angepasst wurde. So hat man in Nathan Ngoumou für 9Mio.€ einen schnellen Außenbahnspieler verpflichtet, der nicht ins System von Daniel Farke passte. Eine Saison später verpflichtet man den zuvor ausgeliehenen Julian Weigl für 8Mio.€ fest, um festzustellen, dass dieser keine passende Rolle in Gerardo Seoanes System findet. Solche nicht zum System passenden Transfers wirken umso merkwürdiger, betont man von Vereinsseite doch bei jeder Gelegenheit, wie knapp das Geld sei und wie gut bedacht jede Investition sein müsse.

Setzt man diese Aussage nochmals in Zusammenhang mit der nun anstehenden Transferperiode fällt eine Sache ins Auge, so Wechselfreudig man sich in den Spielphilosophien zeigt, im Kader scheint man auf trotz des weitergehenden Umbruchs auf Kontinuität setzen zu wollen. So scheint man bestrebt zu sein den bislang ausgeliehenen Max Wöber, nache einer durchschnittlichen Saison mit einigen Verletzungsproblemen, fest verpflichten zu wollen, Leeds fordert offenbar 15Mio.€, Borussia sei immerhin gewillt 8Mio.€ zu zahlen. Auch eine feste Verpflichtung von Jordan Siebatcheu, der vor allem durch seine Verletzungsanfälligkeit auffiel,steht im Raum. Die Spekulationen über den Preis variieren zwischen 2,9Mio.€ und 5Mio.€. 

Hier deutet sich bereits eine Problematik an, welche sich auf den gesamten Verein übertragen lässt. Man hält lieber am Vertrauten fest. Auch dann, wenn es vielleicht nicht optimal funktioniert, bevor man das Risiko eingeht, etwas Neues zu versuchen.

Es ist exakt diese im Verein herrschende Mentalität, die mich als Fan mit großer Sorge in die Zukunft blicken lässt. Borussia wirkt gefangen im Verwaltungsmodus. Es ist kein Plan erkennbar, wie der aktuell Abwärtstrend wieder umgekehrt werden soll. Man scheint bestrebt zu sein mit einem Trainer in die nächste Saison zu gehen, der die schlechteste Performance eines Trainers seit der letzten Abstiegssaison abgeliefert hat. Einem Trainer der es innerhalb einer gesamten Saison nicht geschafft hat ein im Ansatz funktionierendes System aufzubauen. Borussias Spiel ist im kompletten Chaos verkommen in dem sich kein Spieler mehr wohlfühlt und niemand zu wissen scheint was seine Aufgabe ist und was seine Mitspieler tun. Gleichzeitig ist es nahezu ausgeschlossen dass Roland Virkus sich für eine Trennung von Gerardo Seoane entscheidet, weiß Virkus doch selbst ganz genau dass auch sein Stuhl in diesem Fall zumindest arg ins Wanken geriete. 

Es ist ein konsequentes Handeln des Präsidiums und des Aufsichtsrates von Nöten, ohne Rücksicht auf persönliche Sympathien und Verbundenheiten. Es ist die Zeit gekommen die Wohlfühloase Borussia hinter uns zu lassen, es geht um nicht weniger als die sportliche Zukunft des Vereins. 

Borussia Mönchengladbach ist noch immer ein wirtschaftlich gesunder Verein mit großer Tradition. Ein Verein der auch weiterhin einen gewissen Stellenwert im deutschen Fußball hat, so wechselt zum Beispiel ein Philipp Sander als Kapitän eines Aufsteigers zur Borussia. Borussia ist ein Verein mit einer großen und leidenschaftlichen Fanbasis, einer Fanbasis die besonders in dieser Saison einmal mehr eindrucksvoll bewiesen hat, dass sie auch in schlechten Zeiten immer hinter dem Verein stehen wird.  

Diese Punkte sind ein nicht unbeträchtliches Fundament auf dem sich neue Erfolgsgeschichten aufbauen lassen. Aber hier liegt der Punkt, sie müssen aufgebaut werden. 

Durchbricht man den Kreislauf des verwaltens des Ist-Zustandes nicht, wird die Borussia in kurzer Zeit vom Rest der Liga abgehängt werden. Noch ist es nicht zu spät die Notbremse zu ziehen und sich neu aufzustellen. Es braucht Mut und die Bereitschaft zur Veränderung von ganz oben im Verein. Gerne würde ich als Fan daran glauben dass jemand im Präsidium diesen Mut aufbringen wird, die letzten Jahre habe jedoch ihre Spuren hinterlassen.

Der Sommer wird richtungsweisend werden. 

Mir und ich denke den meisten, die bis hierhin gelesen haben geht es ebenso, liegt der Verein sehr am Herzen und es schmerzt den aktuellen Verfall hilflos mit ansehen zu müssen. Ich hoffe und appelliere an die Verantwortlichen UNSERES Vereins, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Zeigen Sie Mut und tun Sie das Richtige für diesen Club, der in die Bundesliga gehört und den wir alle so lieben und seine Fans.

Forza Borussia!

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