StartAnalysenBorussias U23 verliert in Unterzahl in Wuppertal - spieltaktische Analyse

Borussias U23 verliert in Unterzahl in Wuppertal – spieltaktische Analyse

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Borussias Zweitvertretung musste am zweiten Spieltag der Regionalliga Saison eine bittere Niederlage einstecken. Nachdem das Team in Unterzahl einen 0:1 Rückstand in ein 2:1 gedreht hatte, erzielte Topfavorit Wuppertal in der Nachspielzeit zwei Tore zum Heimsieg gegen die jungen Fohlen. Diese Niederlage war jedoch nicht nur bitter aufgrund des Zeitpunktes der Tore, sondern weil das Team von Trainer Eugen Polanski in den 93 Minuten vorher eine sehr gute Partie zeigte, wie @marc findet. Warum er dies so sieht, erklärt er euch nachfolgend.

Der Matchplan

Gegen das tiefe 5-3-2 der Gastgeber agierten die Borussen im gewohnten 4-2-2-2 mit Max Brüll im Tor, der Vierkette aus Walde, Lieder, Kemper und Ullrich. Vor der Abwehr spielten auf der Doppelsechs Korb und Andreas, die Doppel 10 bilderten Asallari und Schroers hinter den Spitzen Naderi und Fukuda.

Die U23 der Borussia wollte dabei im Aufbau mutig agieren und im Zentrum immer wieder unter den Ball kommen, um den offenen Fuß in Spielrichtung zu finden. Das teilweise hohe Anlaufen der Wuppertaler stellte die Fohlen, die ständig aus der Bewegung in die Positionen im Halbraum kamen, vor fast keine Probleme. Im untenstehenden Bild sieht man sehr gut, wie Wuppertal ballnah den Flügelverteidiger hochschiebt und Mika Schroers den Halbraum zwischen Sechser, Halbverteidiger und dem Rücken des Flügelverteidigers zu attackiert. Andreas spielt unter Druck dann genau diesen Ball. Da Fukuda den Halbverteidiger bindet in letzter Linie, kann er nicht auf Schroers rausverteidigen und Gladbach überspielt das Pressing und kann über Korb im Zentrum den offenen Fuß finden.

Spielfortsetzung nach Positionsbestzung

Im oberen Bild sieht man sehr gut die Flexibilität, die das junge Team immer wieder im Ball unter Beweis stellte. Mika Schroers kippt im Aufbau ab, damit Ullrich den Flügelverteidiger in letzter Linie binden kann, während Naderi den Halbverteidiger ebenfalls bindet. Wuppertal möchte muss verschieben und die Wege im Zentrum sind zu weit, um Schroers direkten Druck zu geben. Die Borussia kann somit via Ullrich hinter die Kette kommen.

Die Flexibilität zeigt sich dann erneut, als die Borussia dieses Muster genau umkehrt. Ullrich bleibt flach, Naderi kommt entgegen und Schroers attackiert mit gegenläufiger Bewegung direkt die Tiefe, welche dadurch entsteht. Wuppertal bekommt diese Muster nur schwer verteidigt.

Laufwege in letzter Linie

Besonders in Umschaltbewegung zeigt sich, dass die Borussia noch Arbeit vor sich hat. Zwar kommen sie in gute Situationen, schlagen jedoch zu selten Kapital aus diesen Gelegenheiten. Im unteren Beispiel schaltet die Borussia schnell um nach Ballgewinn, indem „Kushi“ Asallari erst gut unter den Ball kommt, im Anschluss auf die Kette andribbelt und dann das Abspielt auf Naderi verpasst. Auch wenn er den Ball etwas zu spät spielt, wird Naderi danach vermeintlich gefoult vom letzten Spieler der Gastgeber, der Pfiff bleibt allerdings aus, sonst hätte Wuppertal früh in Unterzahl agieren müssen.

Besonders auffällig war zudem, dass die Borussen immer wieder Naderi in letzter Linie als Wandspieler suchten. Sobald er angespielt wurde, wusste er meistens auch etwas mit der Situation anzufangen, als Stürmer mit dem Rücken zum gegnerischen Tor auch eine enorme Qualität. Nachfolgend sieht man eines von unzähligen Beispielen. Erneut ist es Mika Schroers, der im Halbraum aufdrehen kann und die Kette der Gastgeber auseinander zieht, wodurch sich die Möglichkeit der Anspiels auf Naderi ermöglicht. Doch dies alleine ist nicht die Kunst. Nachfolgend zeigt sich dann, was das Trainerteam rund um Eugen Polanski sich deutlich häufiger wünschen wird, kreuzende Bewegung mit direkter Gegnerbindung um Raum im Rücken zu öffnen. Hier ist es zum Beispiel Fukuda, der den Innenverteidiger so gezielt ansteuert, dass dieser in aufnehmen muss, wodurch sich die Außenbahn für Ullrich öffnet.

Die Mannschaft der Borussia schaffte es besonders in der ersten Halbzeit mit Steil-Klatsch-Steil Lösungen immer wieder, die Linien der Wuppertaler zu überspielen und in die Tiefe zu kommen. Im unteren Screenshot lässt sich dies gut aufzeigen. Schroers erhält den Ball, Korb gibt die Lösung unter dem Ball und Fukuda gibt die vertikale Lösung, die Schroers letztlich auch wählt. Fukuda ermöglicht ihm, indem er den Ball fest macht, in den direkten Anschluss zu kommen und die Tiefe im Rücken des vorwärtsverteidigenden Halbverteidigers zu attackieren.

Immer wieder bekamen die Borussen somit vielsprechende Gelegenheiten, die das junge Team dann jedoch nicht nutzen konnte aufgrund von Unsauberheiten im Passspiel.
Ein Beispiel dafür stellt die unten dargestellte Situation dar, als die Borussia in Person von Ullrich in guter Flankenposition ist, die Boxbesetzung perfekt ist und der Ball letztlich direkt in den Armen des Torhüters statt bei einem Offensivspieler der Fohlenelf landet.

Die Arbeit gegen den Ball

Das Bemerkenswerte im Spiel der Borussen war jedoch der eigene Spielvortrag mit Ball, sondern das, was passierte, wenn der Aufstiegsfavorit im Ballbesitz war. Die Borussia kontrollierte besonders in der ersten Halbzeit das Spiel, wenn sie selbst nicht im Ballbesitz waren. Was besonders auffiel, die Mannschaft war perfekt auf den Gegner und seine Muster im Aufbau vorbereitet. Alle nachfolgenden Szenen zeigten sich wiederholt, was zeigt, dass hier nicht zufällige Situationen entstanden, sondern ein klarer Plan verfolgt wurde.

Den Gegner gelenkt und zugeschnappt

Immer wieder schafften es die Fohlen, den Gegner auf die eigene Außenverteidiger zu lenken. Im oberen Screenshot lässt sich so eine Situation gut erkennen: Fukuda erzwingt Ball auf den rechten Halbverteidiger durch sein Anlaufen während Schroers diesen sofort von innen nach außen presst. Mit seinem Deckungsschatten (weiß markiert) nimmt er die Option in Zentrum auf direktem Wege zu spielen, raus. Normalerweise würde Wuppertal an dieser Stelle mit dem „Spiel über den Dritten“ (in dem Fall der flachen Flügelverteidiger) den Weg ins Zentrum suchen. Jedoch war die Borussia genau darauf vorbereitet in Form des zweiten Stürmers Naderi, der seine Stürmerposition verließ, um den ballnahen Sechser der Gastgeber zuzustellen. Durch das direkte Anlaufen von Ullrich ergaben sich für den Flügelverteidiger nahezu keine Lösungsmöglichkeiten. Die Folge war der hohe Ballgewinn.
Wie bereits eingangs erwähnt, war dies kein zufälliges Ereignis, wie an den unteren Bildern zu erkennen.

Aktivität abseits der klaren Muster

Die Fohlen waren nicht nur aufmerksam in den vorher festgelegten Abläufen, sondern auch sehr wachsam im Gegenpressing und Ballklauen. Voraussetzung hierfür war immer wieder die gute Struktur, die es der Mannschaft überhaupt ermöglichte, in diese Situationen zu kommen.

Wie im oberen Bild zu erkennen, konnte das Team so immer wieder die Wuppertaler daran hindern vertikal oder generell kontrolliert aufzubauen. Während man ballnah in Überzahl war, schaffte man es durch gute Winkel die Optionen für die Heimmannschaft zu limitieren und sie dazu zu bringen, in den Druck zu spielen, wo man den Ball erobern konnte oder aber so weit wie möglich weg vom Tor von Max Brüll zu halten.

In mitten all dieser positiven Beispiele der Borussia fiel im Übrigen der zwischenzeitliche Führungstreffer der Gastgeber in der Anfangsphase, was sich jedoch in der Spielweise der Borussen überhaupt nicht bemerkbar machte, obwohl das Team aus vielen jungen, unerfahreneren Spielern besteht. Chapeau!

Die Reaktion auf Widerstände

Während die Borussia in Halbzeit 1 sich eine Unaufmerksamkeit erlaubte nach einer Ecke, als Keeper Max Brüll die Fohlen mit einer wichtigen Rettungstat im Spiel hielt, war es Selbiger, der sie in Halbzeit mit einer großen Hypothek belegte, als er in Minute 55 zurecht die rote Karte für ein Handspiel außerhalb des Strafraums sah.

Diese beiden Bilder (oben und unten) zeigen eins von zahlreichen Beispielen, in denen die Borussia aufmerksam war, den Ball klaute und schnellstmöglichst umschaltete, leider ohne Erfolg.

Doch dies sorgte bei der Borussia nicht für Verunsicherung. Bedenkt man, dass der Schiedsrichter in Halbzeit eins einen vermeintlichen Elfmeter für die Borussia und eine Notbremse der Wuppertaler nicht ahndete, so war die Reaktion auf diesen erneuten Rückschlag herausragend.

Die Wende im Spiel

Dank zwei hoher Ballgewinne, einem guten Umschalten auf Mika Schroers und einem sehenswerten Distanzschuss von Simon Walde (siehe Bilder unten), konnte die Borussia in Minute 67 und 69 mit 2:1 in Führung gehen. Erneute Grundlage waren, wie eingangs erwähnt, erneut hohe Ballgewinne, die die Fohlen wie schon in Gleichzahl, auch in Unterzahl erzwingen konnten und sich folgerichtig belohnen konnten. Die Führung war für 10 Gladbacher gegen 11 Wuppertaler mehr als verdient.

In der Folge hatten die Fohlen zunächst alles im Griff

In den unteren beiden Bildern ist gut zu erkennen, warum die Borussia in den Minuten nach der Führung Wuppertal weiterhin gut im Griff hatten. Eine gute Restverteidigung mit Überzahl erlaubte es den Innenverteidigern immer wieder den Gegner unter Druck zu setzen durch Vorwärtsverteidigung, um diesen nicht aufdrehen zu lassen. Zudem war die Borussia zunächst weiterhin sehr aufmerksam im Absichern und Durchsichern und war damit vorbereitet auf zweite und dritte Bälle in die Tiefe.

Mit der Führung im Rücken zu passiv geworden

Nachdem die Fohlen die Partie drehen konnten, wurden sie zunehmend passiv. Zu selten gelang es, Entlastung zu generieren, wie im unteren Beispiel, als Walde unter den Ball kommt und Naderi als Wandspieler in Szene setzen kann und es dem Team ermöglicht, die Tiefe zu attackieren und Wuppertal in die Rückwärtsbewegung zu zwingen.

Einmal den ersten Druck überspielt, schafften es die Borussen auch zunächst noch die Seite zu verlagern, um die Wege für Wuppertal lang zu gestalten und sie zu zwingen, zu verschieben und gegen den Ball zu investieren. Doch mit zunehmender Spielzeit wurde auch dies zur Mammutaufgabe.

Der Knackpunkt

Wuppertal riskierte zunehmend mehr, brachte Offensivpersonal und attackierte die Gladbacher Box. Dies war jedoch nur möglich, weil die Fohlen weniger Entlastung generieren konnten und den Ballbesitz zu schnell wieder hergeben mussten. Zudem bekamen sie am Flügel kaum mehr Druck auf die Flankengeber und wurden somit mehr und mehr in die eigene Box gedrängt, auch wenn sie dort oft noch in Überzahl gut positioniert waren.

Während sie im Aufbau der Wuppertaler nun kaum noch Akzente setzen konnten, schlichen sich zunehmend verheerende Stellungsfehler ein. Während in den Minuten bis zur Führung der Borussia die Winkel im Anlaufen nahezu perfekt waren, ließen sich die Fohlen nun in erster Linie zunehmend zu einfach überspielen. Die Wege wurden nun für die Halbraumspieler gegen den Ball immer weiter.

Wuppertal schaffte es dann am Flügel zu überladen und Borussia musste einige Male ein Durchbrechen der Gastgeber zur Grundlinie hinnehmen(siehe Bild unten). Aus diesen Situationen entstanden dann einige Eckballsituationen. Die vorherige Passivität gegen den Ball zeigte sich dann leider auch in der Boxverteidigung. Die Mischung aus Mann- und Raumverteidigung griff dann nicht, wodurch Wuppertal zurück ins Spiel kam und letztlich sogar noch den zugegeben glücklichen Siegtreffer zu erzielen.

Fazit: Der Aufwand stimmt, der Ertrag nicht

Würde ein Fussballspiel nach Leistung gewertet, hätte die Borussia die 3 Punkte an diesem Tag mit nach Mönchengladbach genommen. So gut die Leistung war, so bitter war dieser Ausgang der Partie. Dennoch muss man konstatieren, dass diese Leistung Lust auf Mehr macht und es absolut keinen Grund zur Besorgnis gibt. Ein Team, welches sich erst noch finden muss, zeigt in den ersten Spielen bereits deutliche Steigerungen im Thema Abläufe und Spielzüge, was einen Schluss zulässt: Wenn das Team in dieser Art und Weise seinen Weg weiter geht, wird dies zum Erfolg führen. So werden langfristig Spiele gewonnen und spätestens dann dürfte Eugen Polanski rundum zufrieden mit seinem Team sein.

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